Creepers - Der Fluch der Hexe
anders.
Während mir winzige Steinchen in die Waden stachen, die ich mit meinen Schritten hochwirbelte, fiel mir auf, dass es hier im Wald deutlich dunkler war. Mein Herz schlug so heftig, als würde ich gerade einen 100 -Meter-Sprint hinlegen. Streifen von Sonnenlicht blendeten mich, während ich den Pfad hinunterspähte, um sie zu suchen. Ich ignorierte das wuchernde Gestrüpp, das mir gegen die Beine und ins Gesicht peitschte.
»Courtney«, hörte ich Margarets entferntes Rufen, als ich einen Moment lang stehen blieb, um nach Luft zu schnappen und mich zu orientieren. Der Weg gabelte sich. Beide Pfade sahen absolut identisch aus. Ich entdeckte keinerlei Hinweis auf die Frau.
Dann hörte ich von links her das Wiehern eines Pferdes.
»Warte!«, rief ich, während ich den Pfad hinunterstürzte. »Warte?«, schimpfte ich mit mir selbst. Als würde jemand, der vor mir weglief, plötzlich stehen bleiben, nur weil ich ihm hinterherbrüllte.
Am Ende des Pfads strahlte mir ein rundes Licht entgegen, als würde der Weg zu einer Wiese oder Lichtung führen. Innerhalb weniger Sekunden war ich dort angekommen und stolperte in gleißendes Sonnenlicht. Ich hob beide Hände schützend über die Augen und suchte nach der Frau. Vom rechtenRand der Wiese drang erneutes Wiehern zu mir herüber. Ich konnte gerade noch sehen, wie sich die Frau mühelos auf ein großes schwarzes Pferd schwang. Sie schnalzte mit den Zügeln und galoppierte auf einen mir unsichtbaren Pfad zu. Sie ritt nach Osten – in Richtung meines Hauses und des Friedhofs.
Kapitel 6
I ch konnte letzte Nacht nicht einschlafen. Ich war einfach nicht in der Lage, die Hexe aus meinem Kopf zu bekommen. Es musste Christian Geyers Hexe sein. Ich war mir absolut sicher. Wer oder was sollte sie sonst sein?
Ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich gestern so überstürzt weggerannt war, ohne mich von Margaret zu verabschieden, aber nachdem ich gesehen hatte, dass die Hexe in Richtung Friedhof ritt, wollte ich auf dem schnellsten Wege nach Hause. Es war fast so, als würde sie mich dorthin führen. Sie hatte mich geradewegs angesehen und ihren Kopf schräg gelegt, so wie manche Hundebesitzer es machen, wenn sie ein Stöckchen geworfen haben.
Margaret hatte besorgt ausgesehen, als ich an ihrem Haus vorbeilief. Sie stand immer noch auf der Türschwelle, genau dort, wo ich sie zurückgelassen hatte, als ich mich in die Verfolgung stürzte. Ihre Augen waren weit aufgerissen, während sie sich die Hand vor den Mund hielt. Sie sagte nichts und versuchte nicht, mich aufzuhalten, aber ich schwöre, ihre Stimmedurchzuckte mich so schmerzhaft, als hätte sie laut meinen Namen gerufen. Ich erreichte den Straßengraben, ohne mich ein einziges Mal umzudrehen.
Als ich durch die Haustür stürmte, platzte meine Mutter geradezu vor Fragen. Sie war immer noch in diesem Zustand nervöser Erregung, der sie jedes Mal erfasst, wenn sie ein Interview führt. Sie hielt ihren gelben Interviewblock in der Hand, als wollte sie mich gleich als Nächstes befragen. Sie stand neben dem Küchentisch, wo sie und Mr. Geyer sich bei einem Glas Eistee unterhalten hatten. Ich musste an Mr. Geyers Gesicht denken, als ich ihn unterwegs auf dem Waldweg, bei meinem irren Sprint nach Hause, beinahe umgeschubst hätte. Er wirkte keineswegs überrascht. Er wirkte besorgt, aber er sagte kein Wort.
Wir saßen am Küchentisch und hielten trotz der Hitze jeder eine Tasse Kaffee in den Händen. Die Klimaanlage, die im Hintergrund stupide brummte, machte es möglich. Es gefiel meiner Mutter nicht, dass ich das Zeug jetzt schon liebte, weil sie diejenige war, die mich »auf den Geschmack« gebracht hatte.
Sie bombardierte mich mit denselben Fragen, die sie mir gestern schon gestellt hatte.
»Warum hast du mir nichts von dem Efeu im Keller erzählt?«, fragte sie verständnislos.
»Ich habe es einfach vergessen.« Die gleiche Antwort, die gestern Abend noch kleinlaut gewesen war, klang heute Morgen verärgert. Interessant, was so ein bisschen Sonne bewirken kann.
Sie lehnte sich näher zu mir herüber, wobei ihr eine blonde Haarsträhne über die Augenbraue rutschte. Sie hatte die Lippen skeptisch aufeinandergepresst.
»Courtney, wusstest du eigentlich, dass Margaret letztes Jahr längere Zeit nicht zur Schule gehen konnte, weil sie krank war?«, fragte Mom.
Mich packte ein quälendes Schuldgefühl. Krank? Margaret war zwar ziemlich blass, aber sie war mir nie krank vorgekommen. »Na ja, sie hat mir
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