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Creepers

Creepers

Titel: Creepers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Morrell
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nicht irre, war sie deine Erste.« Baienger überflog den Bericht, den ein alter Mann mit gewissenhafter Sorgfalt geschrieben hatte.
    »Im August 1968 hat Iris einen Zug von Baltimore nach New York genommen. Eine Dienstreise. Auf dem Rückweg hat sie beschlossen, das Wochenende in Asbury Park in dem berühmten Paragon Hotel zu verbringen. Niemand hatte ihr erzählt, dass Asbury Park nicht mehr das Juwel war, das es einmal gewesen war, oder dass das Paragon ein Alptraum war. Sie ist am Freitag eingetroffen. Eine Nacht in diesem unheimlichen alten Gemäuer hat ihr gereicht. Sie ist am nächsten Morgen abgereist; sie wollte zum Bahnhof. Niemand hat sie je wiedergesehen. Außer mir. Ich habe sie gesehen, Ronnie. Sie sitzt unten im Gang mit ihrer Handtasche im Schoß und wartet immer noch auf ihren Zug. Es wird noch eine Weile dauern, bis der kommt.«
    Sein Mund war trocken; seine Brust schmerzte; Baienger musste eine Pause machen. Er hatte das Gefühl, die tobenden Gefühle würden seine Adern zum Platzen bringen.
    Er hob das Funkgerät. »Amanda sagt, du hättest sie mit beängstigender Höflichkeit behandelt. Abgesehen davon, dass du sie in dem Tresorraum eingeschlossen hast natürlich. Aber, zum Teufel, niemand ist vollkommen, stimmt's? Dann bist du mit einem durchsichtigen Nachthemd aufgetaucht, das sie anziehen sollte. Was ist da passiert, Ronnie? Hast du beschlossen, dass es mit der Höflichkeit jetzt endlich mal ein Ende haben musste? Du hast sie bewirtet. Du hast sie unterhalten. Du hast bewiesen, was für ein unglaublicher Typ du bist. Jetzt wolltest du etwas für die ganze Mühe haben. Du bist schließlich ein Mann von Welt. Du kennst die Spielregeln. Aber dann bist du ganz plötzlich wütend geworden. Du hast sie eine Hure genannt. Haben deine sexuellen Bedürfnisse dazu geführt, dass du dich schwach gefühlt und es übel genommen hast? Ich wette, bald danach hättest du sie geschlagen. Dann hättest du dich dafür gehasst, dass du dich von deiner Schwäche und deinen Bedürfnissen hast überwältigen lassen. Vielleicht hast du dich dafür gehasst, dass du sie begehrt hast, und sie dafür, dass sie eine Frau war, die du begehrtest. Oder es gibt noch die umgekehrte Möglichkeit. Die gefällt mir sogar noch besser. Vielleicht hast du dich gehasst, weil du geglaubt hast, du solltest sie wollen, aber du wolltest sie nicht. Vielleicht hast du überhaupt kein sexuelles Interesse verspürt, und das hat dir wirklich zu schaffen gemacht. Feinschmeckermenüs kochen, Proust lesen, Filme mit Untertiteln ansehen - da hast du dich in deinem Element gefühlt. Aber wenn's an das ganze MannFrau-Zeug ging, warst du tot. >Was ist eigentlich los mit mir?<, hast du gedacht. Du musstest wohl irgendwas unternehmen. Also hast du sie gezwungen, ein Nachthemd anzuziehen. Das hätte dir die nötige Ladung verpassen sollen. Hat es aber nicht, und dann hast du sie dafür gehasst, dass sie nicht dafür gesorgt hat, dass du dich als Mann fühlst. Du hast gewusst, worauf das rausläuft. Auf genau das Gleiche wie bei den anderen. Du hast dich nicht dazu bringen können, sie zu bumsen, also hast du sie erwürgt, um deine Scham und dein Versagen zu verbergen. Vielleicht würdest du dich ja bei der nächsten Frau fühlen wie ein Mann. Nächstes Mal. Es hat ja immer ein nächstes Mal gegeben, oder?«
    Ein unsichtbarer Blitz krachte. Amanda und Vinnie hörten voller Entsetzen zu, die Augen auf Baienger gerichtet.
    »Jetzt bist du außer einem erfolglosen Soldaten und einem mittelmäßigen Polizisten also auch noch ein Populärpsychologe?«, fragte die Stimme.
    »Detective. Ich war Detective. Und ich hab das Gefühl, bei den ganzen Recherchen, die du betrieben hast, ist nie zur Sprache gekommen, in was für Fällen ich ermittelt habe. Oder vielleicht hast du den Teil auch sorgfältig ignoriert, weil du nicht an deine eigenen Probleme erinnert werden wolltest. Sexualverbrechen, Ronnie. Ich habe bei Sexualverbrechen ermittelt. Ich kann dir in den Kopf reinsehen, Kumpel, und das ist vielleicht eine Kloake.«
    Ronnie. Auch bei diesem Namen hatte Baienger das Gefühl, sich an etwas erinnern zu müssen.
    »1968«, sagte er in das Funkgerät. »Hier steht ein Foto von dir und Carlisle. Es hat ein Datum hinten drauf. 31. Juli 1968. Einen Monat später ist Iris McKenzie verschwunden. Am Ende des Jahres hat Carlisle das Hotel dichtgemacht, die Angestellten entlassen und danach allein hier gelebt. Oder vielleicht war er ja auch gar nicht allein. Ronnie.

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