Crescendo
Sie ließ seine Augen funkeln und zauberte ein Lächeln auf sein Gesicht. Er zog sich eine Linie Koks rein, damit das Hoch länger anhielt, dann ging er aus dem Haus. Die Luft war wie elektrisiert und hinterließ einen Geschmack von Blut in seiner Kehle. Die Härchen auf seinen Armen stellten sich auf, und er hatte ein Prickeln im Nacken, während er resolut den Fußweg entlangschritt. Er wusste, dass es eine ganz besondere Nacht werden würde.
Dana, Rachel und Virginia (von ihren Freunden, nie jedoch von ihrer Familie Ginny genannt), bedauerten ihre Entscheidung, nach Shrewsbury zu fahren anstatt wie sonst jeden Freitagabend in Telford zu bleiben. Sie hatten vergeblich sämtliche Kneipen und Discos abgeklappert, die sie kannten, um richtig was zu erleben, waren aber jedes Mal zu dem Schluss gelangt, dass sich das Richtige, was immer es war, irgendwo anders abspielen musste. Mit niedrigem Adrenalinpegel und verblassendem Make-up fingen sie an, sich zu streiten, als sie die letzte Bar auf ihrer Liste verließen und in den Nieselregen hinaustraten.
Im Schutz einer nahen Bushaltestelle überlegten sie, was sie jetzt machen sollten. Dana war dafür, den Zug nach Telford zu nehmen. Rachel meinte, dass es mit dem Bus schneller gehen würde. Ginny schwieg. Sie hatte das Gefühl, dass sie sich eine Erkältung eingefangen hatte. Als die anderen sich nicht einigen konnten, schlug sie vor, dass sie zu Dana nach Hause fahren und sich dort bei einem Glas Wein und was zu Essen vom Imbiss einen Spätfilm im Fernsehen ansehen sollten, doch Dana und Rachel wollten nichts davon wissen.
Der Abend war ihrer Meinung nach noch längst nicht gelaufen, und sie mussten nicht wie Ginny zu einer bestimmten Uhrzeit zu Hause sein. Noch immer genossen sie ihr erstes Jahr, in dem sie ganz legal Alkohol trinken durften, und sie sahen nicht ein, wieso sie zu Hause und ohne Jungs kostbare Zeit verplempern sollten. Schließlich kamen die Mädchen überein, dass der Zug zurück nach Telford mehr Flirtmöglichkeiten versprach, und sie machten sich auf den Weg zum Bahnhof. Dana und Rachel gingen unter einem überdimensionalen Golfregenschirm voraus. Ginny trottete hinterdrein und blieb mit jedem Schritt weiter zurück. Sie ging geduckt unter einem rosa gepunkteten, durchsichtigen Plastikschirm. Er gehörte ihrer jüngeren Schwester, aber sie hatte keinen anderen finden können, bevor sie eilig aus dem Haus gestürmt war.
Weder Dana noch Rachel trugen eine Jacke, und Ginny war sicher, dass Dana mit ihrem bauchfreien Oberteil frieren musste, auch wenn ihr neuer Brillantstecker im Licht glitzerte. Rachel sah immer gut aus, egal, was sie anhatte, und es war einfach unfair, dass ihr Haar selbst im Regen noch glatt und glänzend blieb.
Am Bahnhof angekommen stellten sie fest, dass sie einen Zug knapp verpasst hatten und eine halbe Stunde auf den nächsten warten mussten. In der Nähe war eine Kneipe, in die sie sich flüchteten, um die Wartezeit zu überbrücken. Ginny bestellte sich einen Hooper’s Hooch, aber als sie einen Schluck davon trank, fröstelte sie von dem eisgekühlten, süßen Getränk, und sie schob es beiseite. Sie zog ihre Regenjacke enger um sich und fühlte sich mies, versuchte aber attraktiv und gut gelaunt auszusehen, als interessiere sie sich für das geistlose Geplapper ihrer Freundinnen. Zwei Männer von Mitte zwanzig kamen an ihren Tisch und gaben ihnen allen einen Drink aus, zogen die Augenbrauen hoch, als Ginny ihre Bestellung änderte und einen Whisky nahm.
Dana und Rachel amüsierten sich inzwischen prächtig. Einer von den Typen hatte es ganz offensichtlich auf Rachel abgesehen, und der andere zeigte Interesse an Dana. Die halbe Stunde zog sich in die Länge, und Ginny kam sich immer mehr wie das fünfte Rad am Wagen vor. Sie nieste einige Male, erntete aber nicht mal ein »Gesundheit«, geschweige denn Mitgefühl. Als die anderen aufstanden und zurück nach Shrewsbury wollten, auf einmal ein Vierergrüppchen mit bequemem Auto, hatte sie keine Lust mehr und wollte nur noch nach Hause. In einer Anwandlung von schlechtem Gewissen versuchten Dana und Rachel halbherzig, sie zum Mitkommen zu überreden, akzeptierten aber ihr drittes Nein mit einem »wie du willst« und überließen Ginny ihrem Schicksal.
Den vorhergehenden Zug hatte sie inzwischen verpasst, und der letzte ging erst in über einer halben Stunde. Der Barkeeper kündigte gerade die letzte Runde an, als sie nachzählte, wie viel Geld sie dabeihatte – 27
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