Crescendo
sehen.«
Der Mann drehte sich zum Licht, um das Foto zu studieren, und wandte Fenwick den Rücken zu. Seine Schultern erstarrten.
»Nee, auch nicht.«
Aber die Anspannung im Körper des Mannes sagte etwas anderes.
»Überlegen Sie noch mal, Sir.« Fenwicks Augen wurden stumpf vor Zorn. »Wie heißen Sie?«
»Was geht Sie das an?«
Fenwick schaute nach oben und studierte die Worte auf dem alten Gasthausschild.
»Sind Sie Tremayne, der Wirt?«
Der Mann ließ sich die Frage durch den Kopf gehen und nickte dann.
»Gut, Mr Tremayne, Sie werden mir jetzt meine Frage beantworten. Haben Sie diese Frau gesehen?« Fenwick war sicher, dass dem so war und dass sein Gegenüber nur schwieg, weil er einen angestammten Argwohn gegenüber der Polizei hatte oder sich lieber aus allem raushalten wollte. »Ich behaupte, Sie haben sie gesehen.«
Ein berechnender Ausdruck huschte über das Gesicht des Mannes, aber er schwieg weiter.
»Hören Sie, der Mann ist ein Mörder, und diese Frau«, er trat einen Schritt vor und Tremayne wich etwas zurück, »ist sein nächstes Opfer.«
Er hätte nichts von alledem sagen dürfen, aber er war verzweifelt. Tremayne starrte ihn einfach nur an, und Fenwicks Zorn war fast nicht mehr zu zügeln.
»Wenn er sie findet und ich dahinter komme, dass Sie auch nur eine klitzekleine Kleinigkeit gewusst haben, sind Sie in meinen Augen sein Komplize. Bis jetzt noch sind Sie bloß drauf und dran, sich ein Verfahren wegen Behinderung der Polizei einzuhandeln.« Tremayne wollte sich abwenden. »Ü berlegen Sie sich gut, was Sie tun.«
Der Wirt ging durch den Schankraum und legte das Phantombild von Smith und das Foto von Nightingale auf den grünen Filz eines Billardtisches. Dann schaltete er das Deckenlicht ein.
»So ist besser. Ja«, er tippte auf Smiths Gesicht, »der war heute hier, abends. Ist gegangen, bevor ich zugemacht habe.«
»Und die Frau?«
Tremayne wirkte jetzt nicht mehr ganz so selbstsicher.
»Er hat sich nach einer jungen Frau erkundigt, hat gesagt, sie wäre eine Freundin und schuldete ihm Geld. Ich kannte den Namen. Sie sieht anders aus als auf dem Foto hier.«
Fenwick spürte ein panisches Flattern tief in der Kehle.
»Sie haben sie gesehen?«
»Sie war vor einem Monat oder so mal hier. Danach hab ich sie nicht mehr gesehen.«
»Wissen Sie, wo sie wohnt?« Der Wirt kratzte sich den Schädel unter schütterem Haar. Es kostete Fenwick seine ganze Selbstbeherrschung, um ihn nicht zu schütteln. »Herrgott, nun sagen Sie schon! Es geht hier um Leben und Tod.«
»Vielleicht. Ihre Familie hat seit ewigen Zeiten hier gelebt.«
»Ich weiß, Mill Farm. Wie komm ich dahin?«
»Keine Ahnung. Die liegt irgendwo in den Bergen, westlich von hier. Richtung Klippen. Bestimmt acht Meilen entfernt. Bin aber nie da gewesen.«
Fenwick hakte nach, bekam aber nicht mehr aus ihm heraus. Als er ging, hatte er das Gefühl, betrogen worden zu sein, wusste aber nicht, wieso. Unterm Strich war er seinem Ziel, das Haus zu finden, noch keinen Schritt näher gekommen. Weiter oben am Hang sah er eine lange Reihe Polizisten Aufstellung nehmen. Die Verstärkung war offenbar eingetroffen und von MacIntyre zügig eingesetzt worden. Zumindest konnten sie jetzt anfangen, die Leute aus dem Schlaf zu reißen. Er ging schnurstracks zum Postamt und klopfte an die Tür. Ein besorgt dreinblickender Mann Mitte dreißig machte ihm auf.
»Polizei. Wir suchen einen flüchtigen Mörder und müssen eine junge Frau finden, ehe sie sein nächstes Opfer wird.«
Der Mann riss alarmiert die Augen auf und winkte Fenwick ins Haus.
»Inspector Fenwick. Wir müssen zur Mill Farm, die den Nightingales gehört. Wir wissen, dass sie hier irgendwo in der Nähe liegt, brauchen aber genauere Angaben.«
»Vielleicht weiß meine Frau was, sie ist von hier. Warten Sie.«
Als er wiederkam, war seine Frau dabei.
»Natürlich kenne ich die Nightingales, die waren früher hier ziemlich berühmt-berüchtigt.«
»Und wo liegt die Farm?«
»Da bin ich überfragt, aber ich kenne jemanden, der Ihnen helfen kann, Pete Trewellin. Er war hier dreißig Jahre lang Postbote. Irgendwo hab ich seine Telefonnummer. Er und mein Dad waren befreundet.« Sie kramte in einer Schreibtischschublade herum, und Fenwick versuchte, ruhig und gleichmäßig zu atmen.
»Ich hab sie.« Sie reichte ihm einen Zettel und deutete auf das Telefon. »Bitte sehr.«
Es dauerte eine Weile, bis sich jemand meldete, und als Erstes wurde Fenwick mit wüsten Beschimpfungen
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