Crescendo
nach.«
Sie schlichen aus dem Zimmer und weiter zum hinteren Teil des Hauses. Eine Etage höher saßen zufriedene Gäste im Fernsehzimmer. Mrs Ironstrong holte ihren Generalschlüssel hervor und schloss die Tür auf.
»Hier stinkt’s!« Ihr Ehemann rümpfte die Nase. »Die haben bestimmt irgendwelche Lebensmittel in der Sonne stehen lassen. Dabei hast du es doch ausdrücklich verboten, was zu essen mit auf die Zimmer zu nehmen.«
»Ist doch jetzt egal, Courtney. Los, sieh in ihrer Tasche nach.«
Während seine Frau an der Tür stehen blieb, ging der kleinlaute Mr Ironstrong um das Bett herum, öffnete die Tasche und durchsuchte sie mit spitzen Fingern.
»Nichts«, wisperte er und kam zu ihr zurück.
»Die haben noch mehr Gepäck gehabt, sieh mal unterm Bett nach. Vielleicht haben sie da noch eine Tasche verstaut.«
Kopfschüttelnd ließ er sich auf die Knie sinken und hob den Bettvolant hoch. Eine weiße Frauenhand lag locker auf den Staubflocken.
»Oh Gott.«
»Was ist, Courtney? Was ist denn da?« Sie schob ihren ausladenden Körper ums Bett herum und ging mit knarrenden Knien neben ihrem Mann in die Hocke. »Rück mal. Du bist mir im Weg.«
»Du solltest dir das lieber nicht ansehen, Irene.«
»Unsinn.« Sie neigte den stattlichen Busen zum Boden. »Mich kann in diesem Haus nichts mehr schocken. Was für eine Sauerei haben sie denn diesmal hinterlassen?«
Courtney hielt die Hand schützend vor den geblümten Volant, doch sie stieß sie weg. Mit einem halblauten »ganz wie du willst« rutschte er zur Seite und machte seiner Frau Platz.
»Ich kann nichts erkennen. Ach doch, Moment, jetzt seh ich was, das ist eine …«, sie fuhr zurück, starrte ihn ausdruckslos an und stand auf, »… Leiche.«
Ein letzter rebellischer Funke in Courtney nahm befriedigt das Quietschen der Sprungfedermatratze wahr, als seine Gattin ohnmächtig aufs Bett kippte. Dann ging er die Polizei anrufen.
Der Flug mit dem Hubschrauber war unbequem, aber schnell. Als Fenwick nach der Meldung, dass Smith gesehen und die Leiche einer jungen Frau gefunden worden war, in der Pension eintraf, wusste er bereits, dass es nicht Nightingale war. Aber sechzig quälende Minuten lang, vom ersten Anruf zu Hause bis zum Treffen mit MacIntyre, hatte er das Schlimmste befürchtet. Das Grauen, das er empfunden hatte, kehrte sofort zurück, als er das überfüllte Zimmer in der Pension betrat.
Man hatte das Bett hochkant gestellt, um besseren Zugang zur Leiche zu haben. Auf MacIntyres Anweisung hin hatte man sie noch nicht bewegt, und in der warmen Nachtluft war das Zimmer vom Geruch des Todes erfüllt, obwohl das Fenster weit offen stand. Beamte der örtlichen Kripo ließen die beiden Kollegen aus London die Leiche in Augenschein nehmen und warteten geduldig ab, bis sie ihnen Bericht erstatten konnten. Erst als MacIntyre und Fenwick in den Speisesaal gingen und sich an einen Tisch setzten, der schon fürs Frühstück eingedeckt war, wurde die Leiche der Frau endlich in einen Leichensack gepackt und abtransportiert.
MacIntyre las laut aus dem Polizeibericht vor, den man bereits für sie geschrieben hatte.
»Der Pathologe schätzt, dass die Frau seit höchstens vierundzwanzig und mindestens fünfzehn Stunden tot ist, aber wir haben Zeugenaussagen, mit denen sich die Tatzeit präziser bestimmen lässt, vorausgesetzt, Smith ist der Mörder.
Zuletzt lebend gesehen wurde sie kurz nach zehn Uhr morgens, als die letzten Gäste den Frühstücksraum verließen, und der Mann mit den Pflastern und Verbänden, der sich als ihr Gatte ausgegeben hat, ist vor elf weggegangen.«
John Oldham, der Leiter der Ermittlungen vor Ort, kam herein, setzte sich MacIntyre gegenüber und strich das rot karierte Tischtuch glatt.
»Irgendwelche Verdachtsmomente, wohin er verschwunden sein könnte, John?«
»Nein, Superintendent. Wir haben eine Zeugenaussage, dass er einen blauen Peugeot gefahren ist, aber mehr auch nicht. Wir denken, es war der Wagen von Wendy Smith, und ich rechne jede Minute mit einer Liste der möglichen Kennzeichen. Es wäre leichter, wenn sie nicht ausgerechnet Smith hieße.«
»Wem sagen Sie das.« MacIntyre lächelte ihn freundlich an, ein Lächeln, das unerfahrene Provinzpolizisten meistens beruhigte.
»Ich habe noch einen Teil Ihres Gesprächs mitbekommen. Meinen Sie, er ist absichtlich hierhergekommen?« Die Frage richtete sich an Fenwick.
»Ja. Ich glaube nicht, dass er sich rein zufällig für diese Gegend entschieden hat. Haben Sie
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