Crescendo
bringen und blieb in der Wohnung, bis er das Ergebnis der Nachbarnbefragung erfahren hatte. Niemand hatte irgendetwas gesehen oder gehört. Allerdings wurde die Katze gefunden; sie ließ sich gerade fröhlich ihr Fressen bei einer Nachbarin schmecken, die beteuerte, von »Sootys« zweitem Zuhause keine Ahnung gehabt zu haben.
Wenn das Opfer nicht eine Polizistin gewesen wäre, die erst kürzlich in einem Vergewaltigungsprozess ausgesagt hatte, hätte Cooper die Sache an die Kollegen von der Abteilung für Bagatelldelikte abgegeben. So jedoch beschloss er, den Fall persönlich zu leiten. Er kam sich blöd vor, dass er die Anzeichen für Nightingales Notlage übersehen hatte, die im Rückblick doch so offensichtlich waren.
Erst jetzt wurde ihm klar, dass sie in letzter Zeit etwas beinahe vorsätzlich Selbstzerstörerisches an sich hatte, als wäre es ihr gleichgültig, welche Folgen ihr Handeln für ihre eigene Sicherheit haben könnte. Er fragte sich, woran es liegen mochte, dass sie sich selbst für so wertlos hielt.
Am nächsten Morgen erzählte Sergeant Wicklow Fenwick von Nightingales Stalker und kriegte die volle Wut des Chief Inspector ab, der sauer war, dass er nicht schon am Abend zuvor verständigt worden war. Anne, die gleich erkannte, dass Fenwick schlecht aufgelegt war, brachte ihm vorsorglich einen extra starken Kaffee.
»Ein Anruf von Superintendent Quinlan. Er möchte Sie sofort sehen.«
Die Atmosphäre im Büro des Superintendent war noch düsterer als Fenwicks Stimmung.
»Stellen Sie sich vor, Nightingale hat gekündigt! Und dabei habe ich noch in Leeds angerufen, damit sie ihr dort einen roten Teppich ausrollen. Ist mal wieder typisch … Weiber, die sind einfach …«
Er bremste sich gerade noch rechtzeitig, vielleicht weil er Fenwicks finstere Miene gesehen hatte.
»Sie wissen, was gestern passiert ist?«
»Ja, aber das tut nichts zur Sache. So was Dämliches. Und dabei hat sie nicht mal eine Alternative, sie steht dann ohne Job da.«
»Hat sie Ihnen die Kündigung überreicht?«
»Ja, hier ist sie.« Quinlan wedelte mit einem Blatt Papier.
»Nur Ihnen?« Der Unterton in Fenwicks Stimme bewirkte, dass Quinlan langsam antwortete.
»Ja.«
»Wer außer uns weiß sonst noch Bescheid?«
»Keiner. Worauf wollen Sie hinaus?« Er betrachtete Fenwick argwöhnisch, verwundert, dass sein sonst so geradliniger Mitarbeiter plötzlich so verschwörerisch klang.
»Wir könnten die Sache doch noch für uns behalten, ihr etwas Zeit geben, noch mal drüber nachzudenken. Wenn jemand das verdient hat, dann sie.«
»Aber sie hat gekündigt, Andrew. Und zwar mit unmissverständlichen Worten, das versichere ich Ihnen.« Quinlan war ebenso wütend wie enttäuscht.
»Darf ich?« Fenwick zog den Brief sachte aus der Hand des Superintendent. Der Text bestand aus drei eng getippten Abschnitten. Fenwick las ihn und verzog das Gesicht.
»Verstehen Sie, was ich meine?« Quinlan betrachtete ihn mit finsterem Blick.
»Sie war wütend und verängstigt. Wahrscheinlich bereut sie das hier bereits.«
»Die Kündigung oder die Wortwahl?«
»Letzteres mit Sicherheit, Ersteres womöglich auch. Ich denke, wir sollten ihr eine längere Beurlaubung anbieten, bezahlt oder unbezahlt, das müssen Sie entscheiden.«
»Und die Kündigung?«
»Ignorieren.«
»Das kann ich nicht machen. Sie erwartet eine Bestätigung, und in ihrer derzeitigen Stimmung traue ich ihr glatt zu, dass sie eine Kopie an Harper-Brown geschickt hat.«
»Ich spreche mit ihr, vielleicht kann ich sie überreden, mit der endgültigen Entscheidung ein paar Wochen zu warten.«
Quinlans Verärgerung verflog. Er war kein nachtragender Mensch. Er schritt in seinem Büro auf und ab, klopfte sich mit dem zusammengefalteten Brief gegen die Wange.
»Sie gehört zu unseren besten Leuten, aber mir in einem solchen Ton zu schreiben …«
»Sie ist die Beste, finde ich.«
»Sie hat ein schlimmes Jahr hinter sich.«
»Andere hätten schon längst eine Kur beantragt.« »Hmm. Also schön. Versuchen Sie’s. Es wäre eine Riesenverschwendung – von Steuergeldern sowieso, aber auch sonst.« Fenwick atmete langsam aus. »Ich mach mich sofort auf den Weg.« »Was sage ich denen in Leeds?« »Ihnen wird schon was einfallen, Sir. Wie immer.«
Als Fenwick sich bei Nightingale angemeldet hatte und im Auto saß, um zu ihr zu fahren, rief Claire Keating ihn auf dem Handy an. Er hatte sie seit über einer Woche weder gesehen noch gesprochen und sein zunehmend
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