Crescendo
Als Sie geklingelt haben, dachte ich, es wäre der Scheißkerl, der das getan hat.«
Cooper griff nach dem Messer, und sie ließ es sich teilnahmslos aus der Hand nehmen. Er brachte es in die Küche, wo es hingehörte, dann bückte er sich und nahm das tote Tier genauer in Augenschein.
»Das ist keine Katze, das ist eine Trappermütze mit Fellschwanz. Jemand hat Innereien und Blut darüber gekippt. Wer macht denn so was?«
Nightingale hatte Mühe, vor Erleichterung nicht loszuheulen, bevor sie antwortete.
»Derselbe, der mich seit der Gerichtsverhandlung terrorisiert. Ich hab ständig Anrufe auf dem Anrufbeantworter, wo jemand bloß schwer atmet, und ich krieg obszöne E-Mails.«
Sie sah Zweifel in seinen Augen und nahm ihn mit in ihr Arbeitszimmer. Der Computer befand sich auf Stand-by, doch als sie die Leertaste drückte, erwachte der Bildschirm sofort zum Leben und zeigte das Foto.
Cooper sah es und ließ sich dann schwerfällig in den Sessel sinken.
»Das ist …«
»Die neueste perverse E-Mail, die ich erhalten habe. Ich hab sie geöffnet, kurz bevor das Paket kam.«
»Aber wieso ist das Ihr Gesicht?«
»Man kann heutzutage jedes Foto manipulieren.« Sie griff an ihm vorbei und klickte auf Zoom, bis ein Teil des Fotos so vergrößert war, dass sich kaum noch etwas erkennen ließ. »Sehen Sie die kleinen Quadrate da? Wer sich damit auskennt, kann Farbe und Schattierung nach Belieben verändern. Da hat sich jemand stundenlang mit beschäftigt.«
»Wieso haben Sie das nicht gemeldet?«
»Wollte ich ja, gleich morgen früh.« Irgendetwas in ihrem eisigen Tonfall löste sich. »Ehrlich. Als ich das da geöffnet habe, war mir klar, dass jetzt ein Punkt erreicht ist, wo ich was unternehmen muss – und das war, bevor-«
Coopers Misstrauen schlug in Sorge um, und er ging zum Telefon, um die Spurensicherung zu rufen.
»Es ist ausgestöpselt, Moment.« Sie bückte sich und steckte den Stecker wieder ein.
»Machen Sie das öfter?«
»Dauernd. Sonst krieg ich nachts kein Auge zu. Manchmal klingelt das Telefon bis zum frühen Morgen.«
Cooper sprach mit Sergeant Wicklow, auf dessen Diskretion er sich verlassen konnte, und ließ sich dann von Nightingale zwei Mülltüten geben. Er packte den Karton und die besudelte Fellmütze hinein und verschloss die Tüten mit einem festen Knoten. Während er auf die Kollegen wartete, nahm er Nightingales Aussage auf, wobei er so taktvoll und einfühlsam zu Werke ging, wie es ihm wohl nur wenige zugetraut hätten. Jetzt, da die unmittelbare Krise vorbei war und ein anderer die Sache in die Hand genommen hatte, verlor Nightingale die Fassung. Als sie einen Schluck Tee trinken wollte, zitterten ihre Hände so stark, dass sie das meiste verschüttete, ein guter Vorwand, um ein Glas Wein zu bitten. Cooper ließ sich die Fakten schildern, ohne einen Kommentar abzugeben.
»Haben Sie eine Ahnung, wer dahinter stecken könnte?«
»Nicht die geringste. Die Anrufe fingen gegen Ende des Gerichtsverfahrens an, glaube ich, dann ging das mit den E-Mails los. Erst hab ich das nicht weiter ernst genommen. Aber als ich Blackie in meiner Wohnung fand, hab ich sicherheitshalber das Schloss von der Wohnungstür auswechseln und sogar die Fenster mit Sicherheitsriegeln versehen lassen, obwohl ich im obersten Stock wohne. Ich wollte morgen Meldung machen.« Sie blickte auf und sah ihn beschwörend an, wollte unbedingt, dass er ihr glaubte. Sie waren noch im Gespräch, als die Spurensicherung eintraf.
»Es wäre vielleicht besser, wenn Sie zu Ihrem Bruder ziehen, bis die Sache geklärt ist.«
»Nein.«
Eine klare Aussage, die jede weitere Diskussion überflüssig machte. Die vorgeschobene Unterlippe und das Kopfschütteln erinnerten Cooper an seine zweijährige Enkeltochter, kurz bevor sie einen Wutanfall bekam.
»Sie können nicht hier bleiben, Louise.«
Die Worte waren sanft, trotzdem schossen ihr Tränen in die Augen.
»Ich könnte in ein Hotel gehen.«
»Auf keinen Fall. Nicht nach dem, was Sie durchgemacht haben. Sie haben doch sicher eine Freundin, bei der sie vorübergehend unterkommen können.«
Ein weiteres Kopfschütteln, und Tränen tropften ihr aufs Hemd.
»Sie verstehen das nicht. Ich will nicht bedauert werden.«
»Seien Sie nicht albern. Ein bisschen Mitgefühl wird Ihnen schon nicht schaden.«
Schließlich überredete er sie, bei ihm und seiner Frau zu übernachten, solange ihre Wohnung auf Spuren untersucht wurde. Er ließ sie mit einem Wagen zu sich nach Hause
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