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Crescendo

Crescendo

Titel: Crescendo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: corley
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eingeklemmt worden wäre. Er warf sich mit voller Wucht gegen die Tür, genau in dem Moment, als der Riegel einrastete, und rüttelte an der Klinke, versuchte vergeblich, sich Einlass zu verschaffen. Er brüllte etwas, abscheuliche, obszöne Beschimpfungen, die ihren Kopf füllten und sie in Panik versetzten.
    Ginny schrie erneut. Wie lange würde der Riegel halten?
    Es war bloß ein kleines Aluminiumteil, das nur noch von 477

    zwei Schrauben gehalten wurde. Die fehlenden waren auch im Laufe der Jahre nicht ersetzt worden, weil der Riegel nur zum Schutz der Intimsphäre da gewesen war, nicht des Lebens. Bis jetzt.
    Er warf sich immer und immer wieder gegen die Tür. Das Holz ächzte unter den wuchtigen Angriffen, und Ginny schrie noch lauter. Sie sah sich um, verrückt vor Angst. Das Fenster über dem Waschbecken ließ sich nur kippen. Sie riss die Gardine beiseite und suchte nach irgendetwas, um die Scheibe einzuschlagen. Eine mit duftenden Trockenblumen gefüllte Marmorente stand auf der Fensterbank. Ginny packte sie und schleuderte sie mit aller Kraft gegen die Scheibe, während die Tür hinter ihr bedrohlich knarrte.
    Das Glas zersplitterte, und Scherben flogen durch den kleinen Raum. Mit ihren nackten Füßen trat sie auf eine, spürte aber keinen Schmerz. Sie nahm das Badetuch und fegte die restlichen Scherben von der Fensterbank, wickelte es dann um eine Hand und schlug die noch festen Scherben aus dem Rahmen. Sie weinte jetzt, schluchzte und wimmerte vor sich hin, als sie auf das Waschbecken stieg, eine Spur hellrotes Blut auf dem weißen Email hinterließ und laut um Hilfe schrie. Die Straße vor dem Haus war verlassen. Der beruhi-gende Streifenwagen, der den ganzen Tag da draußen gestanden hatte, war verschwunden, und die Bürgersteige waren menschenleer. Ein lautes Klacken ertönte von der Tür hinter ihr und der Riegel flog davon.
    Er packte sie, als sie gerade ein Bein über das Fensterbrett geschwungen hatte.
    »Hilfe! Hilfe, bitte Hilfe!«, schrie sie in die leere Luft. Seine Hände schlossen sich um ihren Knöchel, und sie trat so fest sie konnte nach ihm, kämpfte um ihr Leben.
    »Nein!« Ginny klammerte sich an den Fensterrahmen, 478

    spürte nicht, wie die scharfen Glaskanten ihr in die Handflä-
    chen schnitten.
    Ein Lieferwagen bog um die Straßenecke, während sie sich noch festhielt. Sie wollte ihn durch Willenskraft zum Anhalten zwingen, achtete nicht auf den bohrenden Schmerz, der in ihrem Rücken und entlang der Oberschenkel eingesetzt hatte. Er schlug jetzt auf sie ein, fester und fester.
    »Hilfe! Mummy, hilf mir!«
    Der Lieferwagen fuhr vorbei, und sie konnte sich nicht mehr halten, ihre blutigen Finger rutschten über die glatte Keramikfläche. Sie fiel zurück ins Zimmer. Da war überall Blut. Es musste ihr gehören. Er hatte sie nicht geschlagen. Er hatte sie in den Rücken gestochen. Panik schüttelte sie, und sie wehrte sich, trat wieder nach ihm, so hart sie konnte, obwohl ihre Beine schwächer wurden.
    Sie fühlte sich benommen. Ihre Schreie schienen aus weiter Ferne zu kommen. Er war jetzt über ihr, versuchte, ihre Jeans zu öffnen. Sie wand sich, aber sein Gewicht drückte sie nieder. Er würde sie nicht bekommen. Wenn sie starb, und mit einer unheimlichen Klarheit wurde ihr bewusst, dass sie sterben würde, dann nicht, nachdem ihr dieses Tier noch einmal Gewalt angetan hatte.
    Der Hass verlieh ihr neue Kraft, und sie konnte plötzlich wieder denken. Glasscherben von der zersplitterten Fensterscheibe lagen auf dem Boden herum. Sie bekam eine zu fassen und hielt sie fest. Ihr Arm fühlte sich unglaublich schwer an, als sie mit der Scherbe nach seinem ungeschützten Hals stach, während er gerade nach unten sah, um seine Finger in ihre Jeans zu schieben.
    Es war ein jämmerlich schwacher Hieb, aber er riss ihm eine lange, klaffende Wunde in die Wange. Er schrie auf und fluchte. Eine Hand fuhr hoch zu seinem Gesicht, und Ginny 479

    sah, dass sich seine Augen beim Anblick seines eigenen Blutes entsetzt weiteten. Sie stieß erneut zu, und ein triumphierendes Lachen stieg gurgelnd aus ihrem Mund, trieb ihn zur Ra-serei.
    Sie spürte, wie sich seine Hände um ihren Hals schlossen, als sie mit letzter Kraft ein weiteres Mal zustieß. Der gläserne Dolch schnitt tief in seinen ungeschützten Hals, dann fiel ihr Arm herab. Das Letzte, was sie hörte, bevor das dunkle Flü-
    gelschlagen in ihrem Kopf alle anderen Geräusche ertränkte, war sein langer, gequälter Aufschrei, und sie

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