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Crescendo

Crescendo

Titel: Crescendo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: corley
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Überall lagen Klamotten herum, die Vorhänge sperrten das Tageslicht aus, der Boden war mit altem Spielzeug übersät, seit sie es in ihrem letzten Anfall durch die Gegend ge-pfeffert hatte. Einen Moment lang herrschte Schweigen. Sie stellte sich vor, wie ihre Mutter versuchte, nicht aus der Haut zu fahren, und lächelte bitter. Gut so.
    »Ach Schätzchen, war’s wieder so schlimm?« Die Sorge in der Stimme ihrer Mutter trieb ihr Tränen in die Augen. Sie kam sich vor wie eine Fünfjährige.
    Ein Knarren, die Bodendiele am Fußende des Bettes, dann noch eins, und das Gewicht ihrer Mutter drückte die Seite der Matratze hinunter, als sie sich auf die Bettkante setzte.

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    Eine Hand legte sich oben auf ihren Kopf und streichelte ihn.
    Ginny spürte die nächsten Tränen des Tages über die rechte Wange und aufs Kissen laufen.
    »Möchtest du was essen, Herzchen? Es ist schon fast halb zwei.«
    Ginny schüttelte den Kopf. Sie hatte seit gestern nichts gegessen, und ihr tat der Magen vor Hunger weh, aber schon bei dem Gedanken an Essen wurde ihr übel. Sie hasste ihren Körper mit seinen Rundungen und Wölbungen, die diesen Mann zu ihr hingezogen hatten. Mit jedem Tag, der verging, wurden sie weniger und flacher, sah sie mehr aus wie ein Junge. Irgendwann, wenn sie so hässlich war, dass keiner mehr Notiz von ihr nahm, würde sie sich hoffentlich wieder sicher fühlen.
    »Wie wär’s denn mit einer Tasse Kaffee? Ich tu auch nicht zu viel Milch rein und kein bisschen Zucker, versprochen.«
    Ihre Mutter wusste, wie sie sich fühlte, ohne dass sie es er-klären musste. Deshalb konnte Ginny ihre Anwesenheit auch noch ertragen. Mit allen anderen dagegen hielt sie es fast nicht mehr in einem Zimmer aus, mit ihnen zu reden war erst recht nicht mehr drin. Sogar ihr Vater, der sie, wie sie wusste, über alles liebte, brachte sie zum Frösteln. Er war ein Mann – sie ertrug die Nähe von Männern nicht, mit ihrem Tiergeruch und den dicken Händen. Ihr armer Dad. Sie schluchzte auf, und ihre Mutter zog sie vom Bett hoch und nahm sie in die Arme.
    »Komm her, mein Kleines. Ist ja gut. Schsch, alles wird wieder gut, das braucht seine Zeit.«
    »Ich halte es nicht mehr aus, Mum. Ich halte es einfach nicht mehr aus.« Ginny kämpfte mit den Worten. Sie hatte nicht sprechen wollen, aber jetzt, wo ihre Mutter so nah war, konnte sie einfach nicht schweigen. »Ich träume jede Nacht 473

    von ihm. Er kommt mich holen, ich weiß es. Ich kann es spüren, dass er da draußen ist und an mich denkt.«
    Es war jeden Tag dasselbe. Seit dem Überfall war diese Überzeugung in ihr immer stärker geworden. Sie wusste, dass er sie zum Schweigen bringen wollte.
    »Ginny, gestern Abend hab ich mit deinem Dad darüber gesprochen, und er hat die Polizei angerufen. Sie sagen, er wird nicht zurückkommen, aber sie haben trotzdem einen Wagen draußen postiert und fahren verstärkt in der Gegend Streife. Am Samstag geht’s in den Urlaub, nur wir drei. Tante May kümmert sich um deine Geschwister. Und wenn wir zurückkommen, haben sie ihn bestimmt schon erwischt.«
    Ginny schüttelte den Kopf.
    »Er ist schlau, Mum, richtig schlau. Cleverer als die Polizei. Ich bin nicht die Erste, weißt du!« Ihre Stimme wurde schrill, hob sich auf einer Welle der Hysterie.
    »Genug jetzt, Ginny. Beruhige dich. Komm, ich lass dir ein schönes, heißes Bad ein – wenn du willst, kannst du was von meinem Schaumbad Chanel Nr. 5 reintun, und hinterher föhne ich dir die Haare.«
    Ginny schnüffelte an der Bettwäsche. Alles roch muffig, wie ihre Haut. Seit dem Krankenhaus hatte sie nicht mehr geduscht, sie stank, das merkte sie sogar selbst, trotzdem hielt ihre Mum sie so fest gedrückt, als duftete sie nach Rosen.
    Ginny atmete tief durch. Mum hatte Recht. Sie sollte aufstehen und sich diesen Angstschweiß abspülen. Vielleicht würde sie sich dann wieder etwas mehr wie ein Mensch fühlen.
    Während ihre Mum das Badewasser einlaufen ließ, suchte Ginny ein frisches weißes T-Shirt und eine khakifarbene Jeans heraus. Als sie die Vorhänge aufzog und den Nieselregen sah, nahm sie noch einen dünnen Pullover und ging mit den Sachen ins Bad. Es war dampfend und warm. Der Duft 474

    ihres Lieblingsparfüms entlockte ihr fast ein Lächeln. Auf den Toilettenschrank hatte Mum ihr Puder und Bodylotion mit derselben Duftnote hingestellt, obwohl sie beides seit Weihnachten wie ihren Augapfel hütete und nur zu besonderen Gelegenheiten verwendete. Ginny merkte, wie ihr erneut

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