Crescendo
daher leicht zu bezwingen. Was er sagte, musste der Wahrheit entsprechen, denn er war an die Gesetze der Ritterlichkeit gebunden. Im Durchschnitt triumphierte der Dämonenkönig bei drei von fünf Malen über ihn, aber wenn Griffiths ihn gespielt hatte, immer.
Der Söldner war ein interessanterer Herausforderer. Er tat sich oft mit der Hexe zusammen, obwohl auf seine Treue kein Verlass war. Und die Jungfrau – ah, Griffiths liebte sie, genau wie den Söldner. Bei ihm konnte man nie sicher sein, ob er die Regeln des Geldes oder der Liebe befolgte, aber wenn man die Jungfrau gefangen nahm, stellte man den Söldner damit meistens kalt.
Er betastete das weiße Kunststoffkleid und das lange blonde Haar. Sie hatte eine weiße und eine rote Rose in der Hand, Symbole ihrer Jungfräulichkeit und Verwundbarkeit.
Sie griff niemals an, aber wenn sie auf die falsche Weise gerettet wurde, saugte sie die Kraft ihres Möchtegernretters in sich auf. Griffiths hielt sie für die verdorbenste von allen Figuren. Jedesmal, wenn er eine Jungfrau fing, benutzte er sie als Köder, bevor er sie tötete, was nicht direkt gegen die 109
Regeln verstieß, aber für die anderen Spieler ein Schock war.
Er nahm Artemesia in die Hand. Aus irgendeinem Grund waren ihre Gesichtszüge feiner, traten klarer hervor als bei allen anderen. Ihre Waffen – Bogen, Pfeile, Messer und Speer
– waren detailgetreu dargestellt. Er starrte sie lange an.
Sie trug ein langes, grünes Gewand, wie eine griechische Tunika, mit Schlitzen an den Oberschenkeln. Es umwallte sie, als spielte ein Phantomwind damit, betonte ihre Brüste und ihr Becken wie Botticellis Flora. Er stellte sich ihre warme Haut unter dem dünnen Stoff vor, und es erregte ihn. Er legte sie behutsam hin und griff nach seinen Zeichenutensi-lien.
Trotz des wachsenden Drucks in ihm hielt er sich genau an sein Ritual. Das Papier kam exakt in die Mitte des Tisches, Zeichenstifte und Radiergummi rechts, Aquarellpinsel und eine kleine Plastikschüssel Wasser links. Mit einem feinen Stift skizzierte er die Figur, glitt mit langen und fließenden Strichen gekonnt über das glatte Papier. Er zeichnete das Gesicht des Miststücks wirklichkeitsgetreu, den Körper darunter aber fülliger. In seiner Zeichnung trug sie kein Gewand mehr. Durch den Wind hatten sich ihre Brustwarzen zu harten, rosa Spitzen aufgerichtet; ihr Geschlechtsteil trat hübsch wie ein Kuss unter üppigem, auberginefarbenem Schamhaar hervor. Bei ihrem Anblick fing er an, stoßweise zu keuchen, und er vergaß seine Zeichnung.
Beim Höhepunkt stöhnte er irgendetwas laut heraus – ein Knurren, einen Namen, er wusste es nicht, aber es war eine köstliche Erlösung. Zum ersten Mal vergaß er das Guckloch in der Tür, während er sich entblößt auf seinem Stuhl zu-rücklehnte. So hatte er sich lange nicht mehr gefühlt … seit, ja, seit das Miststück sein Leben zerstört hatte.
110
Er wusch sich gründlich. Als er sauber war, wollte er die neueste Zeichnung in sein Sammelalbum stecken. Das Papier war zerrissen. In seiner Ekstase hatte er auf sie eingestochen.
Eine große, klaffende, rote Wunde hatte ihre Papierbrüste und die Kehle zerfetzt. Er strich mit den Fingerspitzen über die Zeichnung, verharrte auf dem Gesicht und dem leuchtend roten Riss.
Die Zeichnung musste verschwinden. Die Wärter durch-suchten seine Zelle regelmäßig, und Batchelor bestand darauf, sein Album zu sehen, doch er brachte es nicht über sich, das Bild einfach zu zerstören und wegzuwerfen. Es war zu einem Totem geworden, einer Verheißung von etwas jenseits der Gefängnismauer. Der Gedanke, dass er ja jederzeit ein neues Bild zeichnen konnte, schwächte nicht sein Verlangen, das hier zu behalten. Er wollte mit dem Wissen schlafen gehen, dass er es hatte, es nach dem Aufwachen heimlich hervorho-len und sich an den Geschmack ihrer Tränen erinnern können. Seine Verhaftung würde gerächt werden. Das Versprechen war gegeben worden, und er wusste, dass es eingelöst werden würde, früher oder später. Bis dahin würde das Bild sein Talisman sein.
Er suchte nach einem Versteck. Sein Blick fiel auf das Spiel, das verstreut auf dem Boden lag. Die Kunststoffschicht auf dem glänzenden Brett war gesprungen und hob sich von der Kartonverstärkung ab. Er nahm das Spielbrett auf, löste mit einem langen Fingernagel Beschichtung und Pappe voneinander und schob die gefaltete Zeichnung in die Öffnung.
Dann drückte er das Brett wieder fest zusammen. Niemand
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