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Crescendo

Crescendo

Titel: Crescendo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: corley
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abfand, und zum ersten Mal reizte ihn der Gedanke zu sterben, wirklich. Es war eine tröstliche Vorstellung, dass er sich umbringen konnte, und darüber nachzudenken, wie er es am besten anstellte, war eine intellektuelle Herausforderung, mit der er sich die Zeit vertreiben konnte. Er hatte weder einen Gürtel noch Hosenträger, und seine Gefängniskluft ließ sich nicht zerreißen. Er wurde auch nicht in die Nähe von scharfen Gegenständen gelassen. Vielleicht würde sich eine Gelegenheit bieten, wenn er eine Krankheit vortäuschte und auf die Krankenstation kam.
    Er übte gerade schmerzverzerrte Gesichter, als ein warnendes Schlüsselgeklimper einen Störenfried ankündigte. Er rechnete damit, Saunders zu sehen, es war seine Schicht, doch stattdessen stand da ein anderer Wärter, der den Daumen in Richtung offene Tür schnellen ließ.

    106

    »Dein Seelenklempner ist da. Bewegung, marsch.«
    Batchelor erwartete ihn. Er trug wie immer sein langweiliges Sportsakko, und auf der Strickkrawatte hatte er einen Essensfleck. Griffiths verbarg seine Verachtung hinter einem angedeuteten Lächeln.
    »Dr. Batchelor. Schön, dass Sie mich wieder besuchen.«
    »Wie geht’s?«
    Gedanken an Selbstmord, an die Krankenstation, vielleicht an Flucht wirbelten dem Gefangenen durch den Kopf. Wollte er sterben? Er war sich nicht sicher. Am besten ließ er sich alle Möglichkeiten offen.
    »So lala. Ich hab öfters krampfhafte Bauchschmerzen.
    Nicht lange, aber es ist unangenehm.«
    Sogleich zeichnete sich Besorgnis auf Batchelors Gesicht ab.
    »War ein Arzt bei Ihnen?«
    »Nur Sie.«
    »Ich meinte einen Mediziner.«
    »Nein, ich hab nicht drum gebeten. Ich warte erst noch mal ab. Ist bestimmt harmlos.«
    Schon bald waren sie bei dem üblichen Psychogeschwafel, das angeblich eine Analyse sein sollte. Jetzt, wo der Gefangene wusste, dass er nicht mehr an einen Computer durfte, sah er wenig Sinn in den Gesprächen. Er war gelassen und zwanglos, hatte sich aber stets unter Kontrolle. Um den Doktor nicht allzu sehr zu frustrieren, spielte er ihm ab und zu eine depressive Verstimmung oder einen Anflug von Selbst-erkenntnis vor, damit er wiederkam.
    Ein unerfreulicher Gedanke überkam ihn. Heute musste er seine Niedergeschlagenheit nicht vortäuschen.
    » … würde Sie interessieren.«
    »Bitte?«

    107

    »Ich sagte, ich habe mit Detective Sergeant Nightingale gesprochen.«
    Ihm war, als hätte er einen Schlag auf die Brust bekommen. Für den Bruchteil einer Sekunde wusste er nicht, wie er reagieren sollte, dann begriff er, dass ihm der Schock anzusehen sein musste. In dem blasierten Gesicht des Mistkerls vor ihm blitzte ein befriedigter Blick auf. Griffiths fühlte sich reingelegt, von einem unfähigen Psychoschwätzer ausgetrickst, und sein Selbstwertgefühl schrumpfte noch mehr.
    »Wieso haben Sie das getan?« Griffiths war stolz, dass seine Stimme ruhig klang.
    »Ach, hat sich so ergeben. Ich dachte, es würde Sie interessieren.«
    Er sagte nichts. Als klar war, dass er weiter schweigen würde, versuchte Batchelor seinen nächsten taktischen Zug.
    »Ich kann gut verstehen, dass sie in die Rolle von Artemesia geschlüpft ist. Sie ist sozusagen die perfekte Jägerin, finden Sie nicht auch?«
    Griffiths sagte nichts. Zorn glühte in seinem Innern, sammelte sich für die Zukunft.
    »Was war ihr bestes Ergebnis gegen Sie?«
    »27500 Punkte.«
    »Das ist gut, nicht?«
    »Fast das beste.« Er blickte dem Arzt nicht in die Augen.
    »Haben Sie Spaß an dem Brettspiel?«
    Wie gern hätte er Batchelor gesagt, dass er es nicht einmal ausgepackt hatte, wie gern hätte er ihm das glänzende Plastik-paket in die Arme gedrückt, ungeöffnet. Aber das ging nicht mehr.
    »Ich habe nicht gespielt. Ohne Gegner fehlt die Spannung.«
    »Wieso?«

    108

    Jetzt geht das wieder los, dachte er, die gleichen dämlichen Fragen. Die konnte er parieren, so lange er wollte. Mit einem Lächeln fiel Griffiths in den gewohnten Trott.
    In seiner Zelle öffnete der Gefangene den Karton, nachdem er stundenlang mit sich gerungen hatte, und packte den Inhalt aus. Die sechs Hauptfiguren waren fast acht Zentimeter groß, ihre Gefolgsleute höchstens vier. Der Dämonenkönig war schwarz, bemalt mit roten und silbernen Verzierungen, die Hexe blau und silbern, und der Ritter, eine lächerliche Figur, hatte Blondhaar, eine weiße Rüstung und goldene Waffen. Jeder männliche Neuling bei THE GAME wollte der Ritter sein. Die meisten »starben«. Er war tapfer, mutig, ehrlich und

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