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Crescendo

Crescendo

Titel: Crescendo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: corley
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würde die Beschädigung bemerken.
    Statt THE GAME wegzupacken, las er das Heft mit den Regeln. Nach dem Abendessen fing er an zu spielen, warf die bunten Würfel mit immer größerem Geschick. Er merkte 111

    sich die möglichen Kombinationen und Folgen von jedem Spielergebnis. Es gab zigtausend Variationen, selbst bei dieser Spielversion. Mit einem leisen, zufriedenen Brummen griff er nach Papier und Bleistift und notierte seine ersten Ideen, wie er es in dieser neuen GAME-Version zur Meisterschaft bringen konnte.

    112

    Kapitel acht
    Die Siedlung Parklea war so spät in den Siebzigerjahren entstanden, dass es für ihre architektonischen Fehler keine Entschuldigung gab. Die Häuser ragten sechzehn Stockwerke hoch und waren verbunden durch ein hässliches Betonspinnennetz aus halb überdachten Gehwegen. Sie wölbten sich kreuz und quer über längst abgestorbene Rasen-flächen, warfen Schatten und stellten eine wunderbare Ab-schussrampe für die Wurfgeschosse dar, die von der jüngeren Generation auf die alte abgefeuert wurden.
    Am Montagmorgen war die Siedlung trocken, heiß und stickig. Es stank so widerlich nach Urin und Hunde- oder Menschenkot aus zahlreichen versteckten Ecken, dass es den Beamten, die sich in der Wohnung Compton 6B versteckt hielten, den Atem verschlug. Die ehemaligen Mieter waren einer Zwangsräumung zuvorgekommen und hatten die Wohnung total verwahrlost zurückgelassen. Die Stadtverwal-tung hatte sich die Renovierung erspart und dadurch erst Hausbesetzer, dann Penner angelockt. Nachdem ein Feuer ausgebrochen war, das auf den bewohnten Teil des Blocks überzugreifen drohte, entschied sich die Verwaltung schließ-
    lich, die Räumlichkeiten zu versiegeln. Seitdem stand die Wohnung leer.
    Leider eignete sich 6B ausgezeichnet zur Überwachung des offenen Geländes zwischen den Hochhäusern, das teilweise im Schatten, teilweise im gleißenden Sonnenlicht lag. De-113

    tective Sergeant Nightingale hatte die erste Schicht. Ihr Partner trug seine Undercover-Verkleidung – einen fünf Tage alten Bart und langes, fettiges Haar – mit Stolz. Er war gerade in einem Café auf der anderen Seite der Siedlung, um etwas zum Frühstück zu holen.
    Detective Constable Rike hatte ihr nach einem Blick auf ihre Designerjeans und das frisch gewaschene und ge-bügelte T-Shirt geraten, sich lieber bis Schichtende versteckt zu halten. Das bedeutete, dass sie noch genau sechs Stunden und zwölf Minuten in diesem stinkenden Loch hocken musste.
    Morgen würde sie ein paar Müllsäcke als Sitzunterlage mitbringen, doch im Augenblick hatte sie nur die Wahl, unbequem stehen zu bleiben oder mit irgendetwas Widerlichem in Berührung zu kommen, das an die Wände geschmiert oder auf dem Boden hinterlassen worden war. Sie entschied sich fürs Stehen.
    Die Tür wurde aufgerissen, und sie fuhr zusammen. Es war Richard Rike, der mit heißen Getränken zurückkam.
    »Gott, stinkt das hier!«
    »Ich merk es kaum noch. Angeblich passt sich das olfakto-rische System nach zwanzig Minuten an und neutralisiert den Geruch.«
    »Das was?«
    Er gab ihr einen von den Styroporbechern, und als sie den Deckel hob, kam ein dünnes, milchiges Getränk zum Vorschein. Sie hatte schwarzen Kaffee gewollt, ohne Zucker. Sie trank einen Schluck. Er war lauwarm und süß.
    »Die Nase riecht nichts mehr – das Gehirn blendet den Gestank aus.«
    Rike schaute auf seine Uhr.
    »Dann sind’s jetzt nur noch neunzehn Minuten und drei-114

    ßig Sekunden. Ich wusste nicht mehr, ob Sie Tee oder Kaffee wollten, also hab ich Ihnen Tee mitgebracht, wie ich die Frauen mag: weiß und süß.« Er grinste schon in Erwartung ihrer Entrüstung.
    Nightingale verzog keine Miene.
    »Schade, ich wollte Kaffee, wie ich die Männer mag: schwarz und stark.«
    Er lachte laut auf und warf ihr eine Tüte zu.
    »Was ist da drin?«
    »Ein Donut mit Zuckerguss. Von gestern. Der Wagen mit der frischen Lieferung war noch nicht gekommen, aber man kann sie essen. Ich hab meinen schon auf.«
    Nightingale starrte auf das zuckerstarrende fette Gebäck und versuchte, Hunger zu empfinden. Sie hatte nur einen Apfel gefrühstückt, und das war zwei Stunden her.
    »Wollen Sie ihn nicht?«
    »Nicht, wenn Sie noch Hunger haben. Mögen Sie?«
    Er stopfte sich den Donut mit drei großen Bissen in den Mund. Sie versuchte nicht hinzusehen, um sich den Anblick der verklebten Zähne zu ersparen, als er triumphierend lä-
    chelte.
    »Der Schnellste in der Kantine«, nuschelte er stolz.
    »Das glaub

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