Crime - Kriminalromane und Thriller schreiben
Reaktion kann nicht außerhalb ihrer »Charaktermauern« liegen. In den meisten Fällen ist es dem Helden durch sein moralisches Empfinden nicht möglich, einen wehrlosen Mann niederzuschießen. Diese Einschränkungen machen ihn zwar sympathisch, schränken aber auch seinen Handlungsspielraum ein. In der Filmversion von Carlito’s Way ist diese Tugend gleichzeitig die Schwäche, die zum Tod des Helden führt. Auch Sonny Corleone, Sohn des Paten, hat sein Temperament nicht unter Kontrolle. Seine Feinde wissen das und nutzen es, um ihn zu töten. Michael Corleone kann sich nicht dem sizilianischen Ehrenkodex von Blutrache und Familienzusammenhalt entziehen. Sam Spade macht für niemanden den Hampelmann.
Wenn Sie Ihren Charakter erst einmal entwickelt, die Mauern aufgestellt haben, können Sie sie nicht einfach durchbrechen. Ihre Figuren müssen innerhalb ihrer vier Wände bleiben, das heißt, nach ihrem Charakter handeln. Wenn Ihre Figur ohne Rücksicht auf ihre Persönlichkeit oder Eigenschaften etwas tut, nur um dem Plot zu dienen, verliert der Leser die Verbindung zu dem Buch. Dann spricht die Kritik von »hölzernen« oder »eindimensionalen« Figuren oder von Charakteren, »die dem Plot unterworfen sind«. Der Fehler liegt in diesen Fällen nicht darin, dass der Autor seine Figur etwas tun lässt, sondern darin, wie er sie es tun lässt. Die Enttäuschung des Lesers beruht aber weniger auf »literarischer Sensibilität« oder seinem Kritikerwissen; der Leser weiß instinktiv, dass der Autor seine Kunst nicht beherrscht.
Dies ist leichter zu verstehen, wenn wir den Charakter in Bezug auf Fähigkeit und Unfähigkeit betrachten. George Smiley ist geduldig und gewitzt, fett, ältlich und unauffällig. Wenn Smiley einen Fall plötzlich dadurch lösen würde, dass er in einen Taucheranzug schlüpft, den Ärmelkanal durchschwimmt, die Wachhunde im Ringkampf erlegt, sich seinen Weg zur Datscha des KGB-Oberhaupts freischießt und durch Verführung der weiblichen Sicherheitsbeamten entkommt, würden wir das Buch verärgert in die Ecke werfen. So wird das Spiel nicht gespielt.
Wie schwierig das Problem auch sein mag – der Autor muss die Lösung innerhalb der Grenzen, die er selbst gezogen hat, finden. Was wäre, wenn ein Schachspieler seinen Läufer wie einen Springer übers Brett bewegen würde? Oder wenn ein Tennisspieler seine Bälle durch eine Maschine schlagen ließe oder ein Boxer Blei in seine Handschuhe füllte? Es sind die Regeln, die ein Spiel spannend machen.
Natürlich ist es schwieriger, sich derartige Regeln für Romane vorzustellen, da es keinen Leitfaden zum Nachschlagen gibt. Die Richtlinien wechseln von Buch zu Buch, der Autor legt sie in jedem seiner Werke neu fest. Dennoch ist ein Krimi wie ein Spiel, und dieses Spiel hat Regeln. Wer die Regeln verletzt, wird disqualifiziert.
Ja, es kommt vor, dass die Figuren eine Mauer durchbrechen. Aber damit sie das können, ohne unglaubhaft zu werden, müssen Sie als Autor sich die größte Mühe geben, dem Leser zu vermitteln, dass das bisherige Dasein der Figur eine Illusion war, dass sie nicht ist, für was wir sie gehalten haben – vielleicht sogar, dass sie nicht ist, für was sie sich selbst gehalten hat! Vielleicht muss die Figur sich auch erst ändern, um ihre Grenzen zu überschreiten – oder den Preis dafür bezahlen, dass sie sich selbst verraten hat. Einmal errichtet, dürfen die Mauern – die charakterlichen Beschränkungen der Figur – nicht einfach ignoriert werden.
Verzeihen Sie mir, wenn ich die Metapher auf den Tennisplatz verlege. Tennis ist im Allgemeinen bekannter als Squash.
Stellen Sie sich vor, Sie spielten gegen einen Profi. Ihr Aufschlag hat wenig Power, Ihre Rückhand ist so lala, der Stoppball kann sich aber sehen lassen. Sie sind vierzig Jahre alt und Ihre Kondition liegt etwas über dem Durchschnitt für Hobbysportler Ihres Alters. Das ist Ihr »Charakter«, das sind Ihre Stärken und Grenzen auf dem Tennisplatz.
Sie spielen um viel Geld. Zehntausend Dollar pro Punkt.
Wenn Sie gewinnen, können Sie die lebensrettende Operation für Ihre zehnjährige Tochter bezahlen, Ihre Tochter, die in Ihren Augen das wichtigste Wesen auf der ganzen Welt ist.
Wenn Sie verlieren, verlieren Sie alles. Haus, Auto, Familie, Zukunft, Ersparnisse. Und Ihr geliebtes Kind. Sie werden zusehen müssen, wie es stirbt und sich ein Leben lang Vorwürfe machen, dass Sie es nicht retten konnten.
Fertig? Ziehen Sie sich Ihre Tennisschuhe an, nehmen
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