Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Crime

Crime

Titel: Crime Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvine Welsh , Pößneck GGP Media GmbH
Vom Netzwerk:
nicht sein Ding, aber er könnte ja vielleicht ein positiver Einfluss sein; der Spaß-Onkel, der ab und zu was mit der Kleinen unternahm. Sie könnten Freunde sein.
    Er reißt sich von seiner Bilderbuchfantasie los. Das Beste, was Tianna sich erhoffen konnte, waren gute Pflegeeltern hier in Florida. Und selbst dann hat sie viel Arbeit vor sich, wenn sie nicht als genauso jämmerliches Wrack wie ihre Mutter enden will.
    Chet kommt zurück und nickt Lennox ernst zu. Er kramt ein paar Quarters hervor und gibt sie Tianna.– Drück mal was Gutes auf der Jukebox, Herzchen, bevor die ganzen Alteingesessenen mit ihren bescheuerten Countrysongs kommen. Vielleicht was von den Beatles oder den Stones.
    Tianna nimmt schweigend das Geld und geht zu der großen Wurlitzer im Gang zu den Toiletten.
    – Das war Robyn, Chet ist jetzt grimmig, die Zeichen stehen auf Sturm.– Sie hat sich mal wieder Riesenärger eingehandelt und ist jetzt in Gewahrsam. Aber ich hab meinen Anwalt eingeschaltet, und sie kommt morgen früh raus. Ich werd mich also heute um Tianna kümmern und sie morgen zu Robyn bringen.
    Irgendwo zwischen Brustbein und Bauch regt sich bei Lennox ein ungutes Gefühl. Ob es vom Instinkt des Cops oder der Paranoia des Drogensüchtigen kommt, weiß er nicht, und es ist ihm auch egal. Er kauft Chet einfach nicht ab, was er ihm erzählt.– Robyn   … Ich will mit ihr reden.
    Chet schaltet jetzt auf die archetypische Beamtenmiene um.– Ich fürchte, das ist nicht möglich.
    – Wieso? Warum kann sie nicht mit mir oder Tianna sprechen?
    In Chets Miene zeichnet sich jetzt deutliche Ungeduld ab.– Weil sie in Miami in Polizeigewahrsam ist, Lennox. Sie hatte nur einen Anruf. Aber ich hab sofort meinen Anwalt in Fort Myers kontaktiert; sein Partner, ein cleveres Bürschchen aus Coconut Grove, ist an dem Fall dran. Sie kommt morgen auf Kaution raus. Er schnaubt wütend.– Wie kann die Frau so dumm sein? Es war eine Koks-Razzia. Wenn dasJugendamt dahinterkommt, könnte man ihr das Kind wegnehmen.
    Wespen krabbeln und summen in den Waben von Lennox’ Gehirn. Er weiß praktisch nichts über das amerikanische Justizsystem. Aber der gesunde Menschenverstand sagt ihm, dass an der Geschichte was nicht stimmen kann. Eine Festnahme ohne Anklageerhebung würde doch sicher nicht mehr als eine Nacht in der Ausnüchterungszelle bedeuten. Dafür würde man nicht sechsunddreißig Stunden in einer Zelle schmoren. Und Lance Dearing sollte sie dort reingebracht haben. Welche Rolle spielte er bei dem Ganzen? Und wenn es eine Kokain-Razzia war, hätte man dann nicht offiziell Anklage gegen sie erhoben?
    Dann liegt Chets Hand auf seiner Schulter und mit ihr die ganze latente Kraft des Gewichthebers. Das und die um eine Oktave gefallene Stimmlage reichen aus, dass ihm alle Glieder schlottern.– Sie haben gute Arbeit geleistet, Junge. Es hätten sich nicht viele solche Umstände gemacht, nicht für eine Fremde. Aber jetzt übernehme ich wieder. Chet zieht seine Hand zurück, und seine Stimme klingt wieder unbeschwert.– Sie haben ja genug zu tun, Sie müssen sich um eine Verlobte und die Hochzeitsvorbereitungen kümmern!
    Und es stimmte ja. Er hatte genug getan. Man musste loslassen können, wissen, wann man loszulassen hatte. Er hatte Tianna von Johnnie und Lance ferngehalten, wie es seine Absicht gewesen war. Er hatte sie in Sicherheit gebracht, zu Chet aufs Boot, dem Wunsch ihrer Mutter entsprechend. Tianna hatte er beschützen können, aber Robyn konnte sich nur selbst retten. Sie musste endlich zur Vernunft kommen, Schwierigkeiten aus dem Weg gehen und lernen, was dazugehörte, eine Tochter großzuziehen.– Ich geh mal rüber und verabschiede mich, sagte er und wanderte zur Jukebox rüber.
    Er holt Trudis Notizbuch raus, zieht den Bleistift aus dem Buchrücken und schreibt die Telefonnummern für Handy und Festnetz und seine E-Mail-Adresse auf. Reißt die Seite raus und gibt sie Tianna.– Hier erreichst du mich, wann immer du mich brauchst. Du hast doch E-Mail, oder?
    – Momma ja, bestätigt sie trübselig, nimmt den Zettel, schaut weg und wendet sich genau in einem Moment wieder ihm zu, in dem die Sonne durchs Fenster fällt und sie in einen goldenen Lichtstrom taucht.– Du wirst mir fehlen, Ray Lennox.
    Er sieht das zeitlos Menschliche an ihr. Sie könnte jeden Alters und Geschlechts sein. Es ist beinahe eine religiöse Erfahrung.– Du wirst mir auch fehlen.
    Sie hält die Baseballkarten in der Hand. Die zuoberst hat er bis jetzt

Weitere Kostenlose Bücher