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Crime

Crime

Titel: Crime Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvine Welsh , Pößneck GGP Media GmbH
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sie wieder aufmacht, verrät ihm die Entfernung zu den Lichtern des Hafens, dass nur wenige Minuten vergangen sein können.
    Er versucht zu schlucken, aber in seinem staubtrockenen Mund will sich kein Speichel sammeln. Sein Kopf brummt, seine Trommelfelle knacken, der beißende Geruch seines eigenen Erbrochenen steigt von seinem Hemd auf. Die Sehnen in seinem Hals sind so strapaziert, als sei sein Kopf aus Blei. Die engen Fesseln an seinen Handgelenken hindern ihn daran, sich den beißenden Schweiß aus den Augen zu wischen. Er sieht sich um, an die Sitze am Heck des Bootes gelehnt. Er sieht Chet am Ruder des dahinschießenden Boots. Der alte Finanzbeamte scheut den Blick zu Lennox, als könne er nicht mit ansehen, wie er fertiggemacht wird.
    Eine durchdringende Furcht packt Lennox. In seiner Laufbahn hatte er oft mit Menschen zu tun gehabt, die unter ungeklärten Umständen zu Tode gekommen sind, und er hat wenig Lust, sich unter sie einzureihen. Cops wollen wissen, was der Tote auf dem Seziertisch gegessen hat, was er angehabt, getrunken und gelesen hat, wen er kannte, mit wem er gefickt hat und in welcher Stellung. Sie inspizieren Fingernägel, Mund, Arsch, Genitalien und Mageninhalt. Dann studieren sie deine Post, dein Tagebuch, deine Mails, dein Konto und deine Wertanlagen, bis sie mehr über dich wissen als du selbst. Lennox hat schon immer insgeheim die Befürchtung gequält, sein jenseitiges Ich würde dazu verdonnert sein, zuzusehen, wie schändlich man mit seinen sterblichen Überresten umsprang.
    Angefasst zu werden, ist das Letzte, was er will, doch esist seltsam tröstlich, als ihn eine Hand unter seiner Achsel in die Senkrechte zerrt. Sein Kopf tut so weh, dass er sich ausmalt, wie aus seinem aufgespaltenen Schädel Gehirnmasse austritt und über den glatten, weißen Bootsrumpf aus Fiberglas ins Meer glitscht. Die Übelkeit durchläuft seinen gesamten Körper wie ein fallender Anker. Er stemmt sich in seine Turnschuhe, um Halt auf dem von seiner eigenen Kotze schlüpfrigen Deck zu finden.– Schon gut, sagt eine Stimme an seinem Ohr. Sein Arsch erfühlt den Schalensitz, und er schaukelt mit den Hüften, um sich weiter daraufzuschieben.– Alles okay?, fragt Johnnie, und die aufrichtige Besorgnis in seiner Stimme überrascht Lennox.
    – Ich glaub, du hast mir den Schädel gebrochen. Er starrt auf die kräftigen Bartstoppeln an Johnnies Kinn.– Ich muss ins Krankenhaus.
    – Wenn du noch so schlau reden kannst, brauchst du auch kein Krankenhaus. Johnnie benimmt sich jetzt eigensinnig und kindisch.
    – Dann bist du wohl Arzt, was?
    Johnnie hält den Schraubenschlüssel nicht mehr, aber Lennox sieht eine Scheide mit einem Tauchermesser an seinem Gürtel, ein etwas seltsames Accessoire zum Polyesterbeinkleid.– Ich wollte dich nicht verletzen, sagt Johnnie kopfschüttelnd,– aber was steckst du deine scheißgroße Nase auch in anderer Leute Angelegenheiten?
    – Das gehört bei mir einfach dazu, sagt er und versucht, seine Fesseln vorsichtig zu dehnen. Dass sie nicht nachgeben, löst eine Panikattacke aus, gegen die er anzukämpfen versucht. Er wird ertrinken. Sie werden ihn über Bord schmeißen. Die Wucht des Wasserdrucks wird ihm den Atem aus den Lungen drücken. Er stellt sich das letzte Quentchen Luft vor, das aus ihm herausgepresst wird, eine Blase, greifbar und messbar vor dem Wasser ringsum. Siehtsie zur Oberfläche schießen, der Befreiung entgegen, während sein lebloser Körper hinabsinkt.
    – Und zu was gehört es bei dir?, fragt Johnnie. Lennox fällt nichts darauf ein. Dann verlangsamt Chet die Fahrt auf eine gemächliche Reisegeschwindigkeit. Lennox muss an die Motte denken, und es schüttelt ihn. Während die Todesangst hinter seinen Lidern tanzt, begreift er, dass all seine Vorstellungen von einem würdevollen Tod abstrus waren.
    Wie bin ich hier reingeraten?
    Confectioner, der war es, der hat mir das Gehirn gefickt. Jedes Mal, wenn Lennox Horsburgh begegnet war, hatte er gewünscht, die Welt möge einen von ihnen verschlingen. Danach hatte er sich immer in den Pub begeben und versucht, durch Trinken die Sachen aus dem Kopf zu spülen, die aus dem Mund dieses Mannes gekommen waren. Eine Line Koks half auch. War Horsey, der Confectioner, schuld daran, dass er jetzt hier war?
    – Was soll denn jetzt das Schleichtempo?, brüllt Johnnie Chet an.– Sind wir vielleicht hier, um verfickte Scheißdelfine zu gucken?
    Eine Möwe kreischt, und Lennox spürt die vom Boot aufgewirbelte Gischt

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