Crime
verschwiegen, was das angeht. Ich schätze, er hat da irgendein süßes Ding verstaut.
– Und sonst noch wer auf dem Boot?, fragt Lennox.
– Glaub nicht, meint der redselige Hafenmeister und will weiter ausholen, doch Lennox hat sich schon abrupt umgedreht und in Richtung Boot in Bewegung gesetzt. Als er aufs Fallreep tritt, sieht er auf das ölige Hafenwasser hinunter und springt dann auf das tadellos in Schuss gehaltene Boot. Es ist dunkel, doch aus der Kabine unter Deck dringt Licht. Chet ist allerdings auf der Brücke. Beide Männer sindverdutzt von des anderen unerwarteter Anwesenheit.– Lennox. Was … was machen Sie hier?
– Ich hab was vergessen, sagt Lennox barsch und geht unaufgefordert hinunter in die Kombüse und den Speiseraum. Die zerlesene Perfect Bride liegt dort, wo Tianna sie liegen gelassen hat, auf dem Tisch, offenbar unberührt. Er nimmt sie an sich, der Anblick der strahlenden Model-Braut wirkt seltsam willkommen. Dann bemerkt er, dass die Tür zu dem größeren Schlafraum geschlossen ist. Er öffnet sie und schaut hinein. Leer. Also steigt er wieder die vier Stufen aus Eichenholz hoch und geht ans Heck.
Chet steht zitternd vor ihm. Obwohl der Wind auffrischt, hat er die Schwüle noch nicht vertrieben, und es ist nicht kalt. Chet sieht auf die Zeitschrift in Lennox’ Hand.– Muss ja wertvoll sein, dass Sie deswegen zurückkommen.
– Aye, bestätigt Lennox,– ist sie. Dann schaut er zum Himmel.– Das Wetter ist umgeschlagen.
– Die Vorhersage ist trotzdem nicht schlecht. Die Regenwolken sollten über uns wegziehen, sagt Chet fahrig.– Tianna gut untergebracht?
Bei Lennox gehen die Antennen an. Tiannas Sicherheit ist jetzt offenbar zweitrangig.– Aye. Sie ist bei Freunden von mir.
– Gut, sagt Chet besorgt.
Etwas sticht Lennox in den Arm. Er klatscht mit der Zeitschrift auf den Sonnenbrand, und der Moskito, der sich an seinem Blut gelabt hat, ist platt.– Drecksviech, flucht er.
– Man wird mit der Zeit immun, und sie übertragen hier auch keine Malaria.
– Ich hab nicht vor, so lange hierzubleiben, bis ich immun bin, erklärt Lennox.– Nur eine Frage, sagt er, obwohl er aus Cop-Erfahrung weiß, dass weitere folgen werden,– ist Lance Dearing je auf diesem Boot gewesen?
Noch während er es sagt, wird ihm klar, dass Chet nichtihn ansieht, sondern über seine Schulter schaut. Dann hört er ein Geräusch auf der Treppe in seinem Rücken. Lennox kann nicht schnell genug reagieren, etwas knallt mit Wucht gegen ihn, und es fühlt sich an, als würden ihm die Zähne von hinten aus dem Gesicht geschlagen. Er stolpert vorwärts und versucht verzweifelt, bei Bewusstsein zu bleiben, doch die grelle Explosion in seinem Kopf wird von Dunkelheit geschluckt. Augen zu und durch. Kämpfen . Er spürt nichts, sieht nur, wie ein Schwall von halb verdautem Red Snapper und Fritten aus seiner Richtung kommend aufs Deck spritzt. Dann ist jemand auf ihm und drückt ihn in sein eigenes Erbrochenes. Er kann sich nicht wehren, wie eine Marionette mit durchgeschnittenen Fäden. Dearing und Johnnie, denkt er sofort, als er merkt, wie erst seine Handgelenke, dann seine Füße mit irgendwas– er vermutet Angelschnur– verschnürt werden. Lennox presst die Augenlider zu und beißt die Zähne aufeinander. Jetzt spürt er die Konvulsionen seiner Speiseröhre und zählt stumm vor sich hin, hofft auf eine Beruhigung, durch die er das halb Erbrochene entweder wieder runterschlucken oder aushusten kann. Dann hat er das Gefühl, kühle Luft durch ein Loch in seiner Brust einzuatmen.
Als er wieder einigermaßen sehen kann, zieht er die Knie an und beäugt seine Füße; mit Angelschnur gefesselt, wie er vermutet hatte. Dann erscheint eine Poledancerin zusammen mit dem Slogan I SUPPORT SINGLE MOMS in seinem Blickfeld, und Johnnie beugt sich über ihn. Zu dem T-Shirt trägt er eine Polyesterhose. Mit verschwommenem Blick sieht Lennox sich um: keine Spur von Dearing. Er sieht das blaue Logo der Perfect Bride vor sich, das Magazin liegt mit dem Titelbild nach oben vor ihm in seiner Kotze.
Johnnie hält einen großen, verrosteten Schraubenschlüssel in der Hand und brüllt Chet irgendwas zu. Was, kannLennox nicht verstehen. Sein Schädel pocht, und der Gestank seines eigenen Erbrochenen steckt ihm in Hals und Nase. Sein Atem schnauft jetzt im Dampfloktempo. Jedes Luftholen erfordert volle Konzentration. Er legt den Kopf auf die Planken, schließt die Augen und liegt für gefühlte Stunden da, doch als er
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