Crime

rankomme. Um diese Fotzen zur Strecke zu bringen. Aber null. Er schüttelte den Kopf.– Als hätten sie sich in Luft aufgelöst.
    Les Brodies Lächeln wurde breiter.– Tja, vielleicht ham sie das ja.
    Lennox starrte ihn gespannt an. Der Bulle in ihm erwachte, bevor er es verhindern konnte.– Was! Willst du etwa sagen, du hast–
    Sein alter Freund lachte hohl, ließ seine Zigarettenkippe fallen und trat sie mit der Hacke in den Kies.– Nee, schön wär’s. Ich hätte lange Zeit alles dafür gegeben, sie zu finden. Aber heute spielen sie in meinem Leben keine Rolle mehr. Versteh mich nich falsch, ich hoff natürlich, dass sie irgendwo sind, wo sie anderen Kindern nichts mehr tun können, aber ich hab mich entschlossen, mit dem Ganzen abzuschließen.
    – Aber wie hast du das gekonnt?
    – Weil ich es musste, sagte Les, griff in seine Jackentasche und zog seine Brieftasche mit einem Foto von seiner Frau und seinen Kindern hervor.– Ich hab andere Menschen, um die ich mich kümmern muss. Ich will nicht, dass der Mann meiner Frau und der Vater meiner Kinder ein abgefuckter Penner ist. Ich muss für sie da sein, anstatt zwanghaft eine Uralt-Vendetta weiterzuführen. Deine Freundin, Raymie, ist eine Wahnsinnsfrau. Verlier sie nicht. Nicht an eine Bande verfickter Kinderschänder, denn das wär die wahre Tragödie.
    Sätze wie diesen konnte man eine Million mal hören und dem Sinn nach verstehen, solange man nicht emotional bereit war, sie anzunehmen, brachten sie genauso viel, wie auf der Autobahn Rasen zu legen. Nach einer weiteren Schweigepause erhob sich Lennox von der Bank wie ein Ersatzspieler beim Fußball in der Nachspielzeit, dessen einzige Aufgabe es ist, Zeit zu vernichten, und schüttelte seinem alten Freund die Hand. Les stand auf und zog ihn an sich, aber Lennox blieb steif in seiner Umarmung und klopfte ihm nur flüchtig auf den Rücken.– Ich muss mal nen kleinen Spaziergang machen, Les, um den Kopf frei zu kriegen, sagte er und löste sich aus der Umarmung.
    – Kannste Gesellschaft brauchen?
    – Nee, lass mal.
    – Ray? Les Brodie machte eine Pause.– Lass es hinter dir, Alter.
    – Man sieht sich, Les.
    Lennox ging, ohne zu wissen, wohin; Matsch und Kies unter seinen Füßen, Wasser toste unter ihm, der Fluss sichtbar durch die winterlich kahlen Bäume. Der Tunnel vor ihm nun, bei seiner erwachsenen Statur, so klein und harmlos. Er ging hinein bis zur toten Zone in der Mitte, die ihre Wirkung tun und ihn zurückverwandeln sollte. Ihn zurückversetzen. Dann wünschte er sich inständig, diese drei nur zu menschlichen Monster, die den Jungen so verändert hatten, würden zurückkehren und sich dem erwachsenen Mann stellen. Er wollte, dass etwas passiert. Dass Stimmen erklingen. Egal wer. Egal was.– KOMMT DOCH !, schrie er.– KOMMT DOCH HER , IHR FOTZEN ! Seine rechte Hand schoss vor und hämmerte gegen die harten, unversöhnlichen Ziegelsteine der Wand. Der jähe Schmerz wollte ihn stoppen, doch er schlug einfach weiter zu und spürte nichts als einen scheußlichen Schmerz in der Brust und sein würgendes, keuchendes Atmen, sah einfach zu, wie das Blut von seiner zerschmetterten Faust auf den rauen Boden tropfte.
    Er hatte keine Vorstellung davon, wie lange er in diesem Tunnel hockte, den Kopf auf die Knie gestützt, verloren in psychotischem Gebrabbel, aber Trudi und Ally Notman fanden ihn schließlich.– Ray   … oh, mein Ray, mein Baby   … Les hat gesagt, du wärst bestimmt hier   …, begann Trudi, bevor sie den Zustand seiner Hand bemerkte und mit vor Entsetzen offenem Mund verstummte.
    Aber Les hatte gewusst, dass er dort sein würde.
    Man sieht sich, Les.
    Und er beschließt, dass er es versuchen will. Wenn erwieder in Edinburgh ist, wird er Les besuchen. Dann wird er ihre Freundschaft unter der Käseglocke hervorholen, solange sie noch Zeit haben, sie zu genießen. Er streckt die Finger an seiner verletzten Hand. Nimmt die Fernbedienung und macht den Fernseher an.
    Ein Programm fesselt ihn. Der örtliche Miami-Dade County-Kanal: eine Sendung mit dem Titel Sexual Offender Watch . Verbrecherfotos von wild blickenden Männern mit versteinerten Gesichtern, die entweder als »Sexualstraftäter« oder »Triebtäter« bezeichnet werden– Lennox versteht den Unterschied nicht– und mit Name, ethnischer Zugehörigkeit, Augenfarbe, Haarfarbe und Geburtsdatum in einer Endlosschleife vorgeführt werden, untermalt von einer miesen Supermarktmusik-Instrumentalversion von »Caravan of