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Crime

Crime

Titel: Crime Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvine Welsh , Pößneck GGP Media GmbH
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einer Bank im hinteren Teil des Friedhofs. Er dachte daran, dass er weder seinem Dad noch überhaupt irgendwem je hatte erzählen können, was ihm damals im Tunnel passiert war. Er überlegte, wie viel Überwindung es John Lennox gekostet haben musste, sein großes Geheimnis preiszugeben.
    Nach einer Weile hörte man Schritte auf dem Kies knirschen, und ein dünner Schatten fiel auf Lennox und machte ihm bewusst, dass sich jemand– in geziemendem Abstand– zu ihm auf die Bank gesetzt hatte. Les Brodie, eine Kippe in der Hand, die Augen geradeaus, blinzelte in die fahle Sonne, die sich am Himmel wieder durchzusetzen versuchte. Lennox wollte schon sagen, er solle ihn in Ruhe lassen, doch Les sagte gar nichts, sondern schaute nur hoch in den trüben Himmel.
    Lennox spürte nun die kalte Luft am Hals, wo er seinen Puls schlagen fühlte.
    Schließlich ergriff Les das Wort.– Ganz schön frisch, El Mondo.
    So hatten sie ihn als Kind genannt. Nur die direkte Familie und Les. So nahe haben wir uns gestanden, dachte Ray.– Alles ist so beschissen, wie es nur sein kann, stöhnte Lennox und schaute sich um.
    – Es kann immer noch beschissener werden, sagte LesBrodie kopfschüttelnd. Dann spielte ein Lächeln um seine Lippen, und er sah Lennox direkt ins Gesicht.– Aber es kann auch wieder besser werden.
    – Diese Fotze, und meine Alte, die mit ihm rumfickt, ihn hier anschleppt, während mein Alter noch nicht mal unter der Erde ist.
    – Jock war sein Freund, Raymie.
    – Aye, toller Freund, der seine Frau vögelt. Und Stuart, die kleine Fotze–
    – Aye, man steckt nich drin. Les Brodie nickte, wie Menschen zu solchen Gelegenheiten eben nicken; banal und nichtssagend im Angesicht des unlösbaren Rätsels Sterblichkeit.
    – Da sagste was.
    – Aber du musst es hinter dir lassen, Raymie.
    – Wie denn? Wie zum Henker, fing Lennox an, und dann schoss seine Erinnerung zurück zu jenem Tunnel und einem verstörten Les, der mit seinem Fahrrad hinaus ins Licht kam,– wie konntest du das hinter dir lassen?
    Les räusperte sich.– Weißte, was diese Wichser mit mir gemacht haben, Raymie? Sie haben mich vergewaltigt. Zwei von ihnen, einer nach dem anderen. Das hab ich dir nie erzählt, stimmt’s? Hab mich nie hingestellt und es laut ausgesprochen. Zwei von ihnen, wiederholte er, und seine Augen knittern entlang der Lachfältchen.– Als ich grade dachte, es wär vorbei, fing der andere an. Ich wartete schon auf den dritten, den jungen Kerl, aber der hat Bammel gekriegt.
    – Verdammte Scheiße, Les, ich– Er wusste nicht, was er sagen sollte. Er war davongekommen. Hätte er an der Seite von Les bleiben, kämpfen, schreien und sein Schicksal annehmen sollen– wie ein Mann, wie es dann vielleicht geheißen hätte? Diese Frage hatte ihn sein ganzes Erwachsenenleben gequält.
    – Ich könnte noch genauer werden, aber das schenk ichmir. Les holte seine Kippen raus und bot Lennox, der ablehnte, eine an.– Aber ich sag dir, wie wütend ich innerlich war; ich hab immer versucht, andere zu verletzen, weil mir das passiert war, und mich selber auch. Hat mich völlig aus der Bahn geworfen. Er lächelte bei der bitteren Erinnerung.– All dieser Hass, und dann nicht zu wissen, wohin damit. Sogar dich hab ich gehasst, weil du damals abhauen konntest.
    – Ich hab mich selbst dafür gehasst, Les. Ich hab Hilfe holen wollen. Ich bin zwar mit den Leuten zurückgekommen, aber da war es zu spät.
    Les nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarette.– Ich muss langsam mal mit dem Qualmen aufhören, sagte er.– Nein, Kumpel, du hast das Richtige getan. Wenn du nicht entkommen wärst, hätten sie sich Zeit genommen, und vielleicht hätte dann auch der dritte noch, er zog die Brauen hoch,– du weißt schon was.
    Lennox senkte den Kopf um einige Grade. Er begriff, dass die Verbundenheit zwischen ihm und Les nie auf dem Spiel gestanden hatte, dass sie in den Jahren der Trennung nur gereift war. Les hatte sich nicht gegen ihn gewendet, sie standen nur an verschiedenen Enden des langen, dunklen Tunnels, der sich zwischen ihnen erstreckte.– Wusstest du, dass das der Grund war, warum ich Cop geworden bin? Ich wollte diese Schweine drankriegen, Les. Ich will es immer noch. Wenn du wüsstest, wie viele Verbrecherfotos ich mir in meiner Freizeit angesehen hab, seit ich bei der Polizei bin. Jeden aktenkundigen Sexualverbrecher in ganz Großbritannien. Aber nichts. Deswegen bin ich zur Schwerkriminalität gegangen, damit ich an solche Dreckschweine

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