Crime
draußen vor sich sehen. Auf dem Instrumentenbrett mussten jetzt Lämpchen blinken und Zeiger ausschlagen.
Es leuchtet ein, warum Terroristen und Regierungen– die beiden Parteien, die aus unseren Ängsten das meiste Kapital schlagen– in erster Linie den Flugverkehr im Visier haben, überlegt Lennox. Wir haben schon eine Scheißangst, bevor es überhaupt losgeht. Sie müssen unsere Furcht dann nur noch durch die eine oder andere Gräueltat beziehungsweise die damit untrennbar verbundene Sicherheitshysterie anreichern.
Trudi hat eine Decke über den Beinen liegen.
Die magnetische Anziehungskraft des Dunkels, das ihn umgibt. Er spürt seine Verlockung.
Warum sich überhaupt Sorgen machen? Er hatte Urlaub. Er hatte seinen Job gemacht. Was gab es da zu bereuen? Er sollte sich nicht so gehen lassen. Aber er kann nichts dagegen tun. Gegen diesen metallischen Geschmack im Mund. Kann nicht anders, als sich mit seinen Gedanken immer wieder selbst zu schaden. Nerven kribbeln ihm unter der Haut. Er hat wieder Angst vor sich selbst. Er wünscht, er hätte mehr von den Pillen mitgenommen.
– Und wenn wir abstürzen?, flüstert Lennox, als ihn Vorstellungen vom Tod als ein unendliches, trostloses Nichts überrollen.– Dann hätten wir alles hinter uns.
– Ich find ja trotz allem Immergrün für die Brautjungfern …, sagt Trudi, ohne von der Zeitschrift aufzublicken,– aber ich will nicht, dass Adele mir die Show stiehlt. Dann dreht sie sich zu ihm um, diesmal wirklich erschreckt.– Du meinst doch nicht–
Ray Lennox muss in einer plötzlichen Anwandlung von Sentimentalität an ein Foto der jungen Trudi auf demKaminabsatz im Haus ihrer Eltern denken. Ein Einzelkind: die einzige Chance des Paars, sich unsterblich zu machen. Was, wenn alles–
Die Angst kommt wieder in ihm hoch.– Trudi, ich würde nie zulassen, dass dir jemand wehtut, das weißt du, oder?, fragt er sie mit desperatem Ungestüm.
Sie reißt die Augen sperrangelweit auf wie eine Soap-Darstellerin.– Du findest sie attraktiv, stimmt’s? Versuch es gar nicht erst abzustreiten, Ray, es steht dir ins Gesicht geschrieben.
Trudi reckt ihm ihren Busen entgegen, und der Rippenstrick ihres hautengen braunen Pullovers legt sich in spektakuläre Kurven, die ihn früher erregt haben. Bis noch vor ein paar Wochen.
Sie möchte die perfekte Braut sein. So wie es sich vielleicht auch die kleine Britney Hamil erträumt hat.
Er umarmt sie, drückt sie an sich, atmet ihr Parfüm ein, den Duft des Shampoos in ihrem Haar. Etwas in seiner Kehle hindert ihn am Schlucken. Als steckte dort ein Fremdkörper. Seine Stimme ist so dünn, dass er sich fragt, ob sie ihn überhaupt hören kann.– Trudi, ich liebe dich … Ich …
Sie windet sich in seinem Griff, macht sich los und schiebt ihn von sich weg. Zum ersten Mal während des Flugs sehen ihn ihre forschenden Augen tatsächlich an.– Was ist, Ray? Was hast du denn?
– Der Fall, an dem ich gearbeitet hab … das kleine Mädchen …
Sie schüttelt vehement den Kopf und bringt ihm mit einem Finger auf seinen Lippen zum Schweigen.– Kein Wort über die Arbeit, Ray. So war’s abgemacht. Du musst mal ganz abschalten vom Job. Das war der Plan. Das war das, was Bob Toal gesagt hat. Wenn ich mich recht erinnere, waren seine genauen Worte: Denk nicht mal an die Arbeit. Denk an gar nichts . Amüsier dich. Entspann dich. DieseAuszeit ist nur dazu gedacht, dich zu entspannen und die Hochzeit zu planen. Aber du trinkst wieder, und du weißt genau, was ich davon halte, schnaubt sie ihn gereizt an.– Aber du hast es so gewollt, und blöd wie ich bin, hab ich widerwillig zugestimmt. Also entspann dich. Gegen die Angstzustände hast du ja deine Pillen.
Lennox bemerkt, dass sie Auszeit gesagt hat statt Ferien. Auszeit. Aus allem raus.
Aber raus wohin?
Wo genau liegt raus?
Die Stewardess kommt wegen der Getränke. Trudi bestellt einen Weißwein. Einen Chardonnay. Lennox nimmt zwei Bloody Marys.
Trudi lässt sich in ihrem Sitz zurücksinken, den Kopf geneigt. Dann trällert sie:– Jeder Job ist heutzutage stressig. Darum nimmt man ja gelegentlich eine kleine Auszeit.
Schon wieder!
– Wir ham zwei herrliche Wochen mit Sonne, Sand, Meer und Du-weißt-schon-was vor uns, sie stupst ihn an und schmollt dann:– Du stehst doch noch auf mich, Ray? Und dann macht sie wieder das mit dem Busen.
– Ja, sicher. Lennox spürt, wie sich seine Muskeln um Brustkorb und Kehle zusammenziehen. Seine Luftröhre ist zum
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