Crime
an den Schädel gekleistert und so gründlich hochgegelt, dass man die Kammfurchen sieht. Das Gesicht gehört einem dünnen Weißen, der dennoch drahtig und stark aussieht, und seine Obsidianaugen versengen Lennox. Robyn ebenfalls, das istunübersehbar. Der Mann steht so dicht vor ihm, dass er einen Schritt zurücktritt. Daraufhin sieht er ein Jeanshemd, das tatsächlich in einer Hose aus demselben Material steckt. Schaut nach unten auf schneeweiße Turnschuhe– beziehungsweise »Sneakers«, wie es auf dieser Seite des großen Tümpels heißt. Der Neuankömmling nickt Lennox kurz zu, lächelt so dünn, dass man es nur mit Bullet Time hätte festhalten können, und sagt dann in Low-Fi-Country-Akzent zu Robyn:– Mal wieder shoppen gewesen?
– Das hier ist Ray, erklärt Robyn entschuldigend. Lennox wittert jetzt schon nicht nur eine gemeinsame Geschichte, sondern auch unerledigte Geschäfte.
– Lance der Name, Lance Dearing. Freut mich, dich kennenzulernen, Ray, grinst der Mann und streckt die Hand aus. Lennox schüttelt sie, auch wenn es peinlich wirkt, lieber mit seiner heilen Linken und ist froh darüber, als er spürt, mit welcher Kraft sie gedrückt wird.– Eins auf die Flosse gekriegt?, fragt Dearing mit einem Kopfnicken zu Lennox’ herabbaumelnder Rechten.
– Kleiner Betriebsunfall, erwidert Lennox forsch.
Aber Lance Dearing sieht Lennox die Nervosität schon an der Nasenspitze an und sagt lässig:– Keine Sorge, Ray, du trittst hier keinem auf die Füße. Wir haben doch alle schon genug erlebt, um zu wissen, dass man mitnehmen muss, was man kriegen kann. Ist doch keine Frage, was, Mädchen?
Starrys perlweiße Zähne blitzen auf, ihre Brauen schnellen so begeistert hoch wie bei der Geschäftsführerin eines Burgerladens, die sich mit Leib und Seele an die Firma verkauft hat. Robyn lächelt matt und schenkt Lance und dem anderen hinzugekommenen Mann brav etwas ein. Der andere ist ein untersetzter, stämmiger Latino mit öligem, kragenlangen Haar und einem Kinn wie Schmirgelpapier. Er starrt Lennox mit blanker Feindseligkeit an:– Und das hier ist Johnnie, grinst Lance.
– Du musst der Typ von außerhalb sein, sagt Johnnie mit raspelnder Stimme und mustert Lennox von Kopf bis Fuß. Sein Kopf wirkt viel zu groß für die Gesichtszüge, die äußerst platzsparend in der Mitte zusammengerückt sind. Lennox hat so eine Ahnung, dass sich der Eindruck im Alter verstärken wird, als würde irgendetwas Schädeldecke, Wangen- und Kieferknochen von innen auseinanderschieben. Seine Metzgerpranken sind eindrucksvoll; zusammen mit dem gedrungenen Körperbau und den unsteten Augen ergibt sich das Bild eine Mannes, der sich nimmt, was er will, ohne lange zu diskutieren. Konterkariert wird dieser Eindruck durch schwabbelndes Bauchfett, über das sich ein T-Shirt mit der Aufschrift FICKE FÜR KOKS spannt.
– Ich glaub nicht, dass das der Mann ist, an den du denkst, Johnnie. Lance grinst Lennox an.– Ich höre, du bist im Verkauf.
Verkauf, Scheiße, denkt Lennox. Was soll das?– Genau.
– Aber ich glaub, der Junge hier ist nicht in derselben Branche wie du, lacht Johnnie.
– Vermutlich nicht, sagt Lance Dearing mit gespieltem Bedauern.– Andererseits gibt’s ja nur zwei Sorten von Verkäufern, find ich: gute und schlechte. Hab ich recht, Ray?
Lennox bleibt stumm. Starrys kapriziöses Lächeln sagt ihm, dass es die beiden waren, mit denen sie früher am Abend telefoniert hat. Dass sie da sind, ist für Robyn offenkundig eine Überraschung, und keine angenehme, wie es scheint. Lennox geht auf Distanz und setzt sich aufs Sofa. Seine Erfahrung sagt ihm, dass Schweigen in solchen Situationen nie verkehrt ist.
Sein Blick schweift durch den Raum und scheint doch zuletzt immer auf Robyns Beinen, Hüften und Arsch zu landen. Ihm ist schon klar, dass er sie ficken will, aber auch nur deshalb, denkt er zu seiner Beschämung, weil die Chance dazu sich nun durch die Anwesenheit von Lanceund Johnnie vermindert hat. Jetzt wär ihm jede recht. Irgendwas macht ihm jetzt Feuer unterm Schwanz.
Stattdessen hackt er sich von dem Brocken aus dem größeren Päckchen, das Starry auf den Tisch gelegt hat, eine neue Line, dabei die ganze Zeit sprungbereit, falls das Kind wieder auftauchen sollte, und zieht sich die Nase rein. Er schaut auf den Druck mit einer halb nackten Frau an der Wand. Dann befassen sich seine Gedanken wieder mit Johnnie und Lance. Seine ursprüngliche Besorgnis wegen der ungebetenen Gäste hat sich gelegt.
Weitere Kostenlose Bücher