Crime

Dann hatte ich seinen Kopf im Gesicht und ging zu Boden, daraufhin hat Notman mich in ein Taxi verfrachtet. Musste im Krankenhaus eine Ewigkeit warten, bis sie mir eher schlecht als recht die Nase grade gerückt haben. Später hab ich gehört, dass die Kleine für meine halbherzige Intervention hatte büßen müssen. Sie war noch ein Kind. Vormals ein kleines Mädchen, dann zur Britney gemacht, zu nichts als   …
    Du musst das Denken abstellen.
    Die Line verschwindet in seiner Nase. Britneys Gesicht zerfließt, wird zu dem der ansprechend nuttigen Frau ihm gegenüber.
    Robyn. Die zuckersüße, irritierende Kleinmädchenstimme beginnt auf rätselhafte Weise sexy zu klingen. Macht eine Southern Belle aus ihr: Scarlet O’Hara– und er ist Rhett Butler. Way down in Alabama . Die Softstimme fragt:– Möchtest du dich nicht ein bisschen hinlegen, Süßer?
    Obwohl Lennox im Moment die ganze Welt ficken könnte, weiß er, dass nur ein Akt der Gewalt, ein radikaler, perverser Gewaltakt, seinen schlaffen Penis dazu bringen könnte, mitzuspielen.– Gleich, sagt er und füllt aus der Wodkaflasche sein Glas nach. Er kann sich nicht freimachen vom Sog des Hexenkessels, an dem er selbst schuld ist.
    Lance Dearing hat ihn sich gekrallt und textet ihn zu. Vordergründig ist vom Fischen die Rede, aber Lennox kennt die brisante Macht der Worte unter Kokain und weiß, dass Dearing sich aufplustert, um Stärke und Dominanz zu demonstrieren.– Hab gestern nen verdammt schweren Burschen aus dem Meer gezogen. Hat ne ganze Weile gedauert, ich dachte schon, der reißt sich los, aber ich bin dem nicht mehr vom Arsch gegangen. Das war entscheidend: Ich bin drangeblieben. Den Drecksack hab ich nicht mehr vom Haken gelassen.
    Da nimmt sich Ray Lennox erst mal zurück, lächelt dünnlippig und gibt einsilbige Antworten. Während er dem Mann in sein ledernes Gesicht starrt und beobachtet, wie sich der Speichel in seinem Mundwinkel sammelt, empfindet er nun gar nichts mehr: er mag Lance weder, noch mag er ihn nicht. Wie sollte er auch? Sie sind Fremde auf Koks. Sie mahlen mit den Zähnen. Sind füreinander Hindernisse, die es zu umkurven gilt: Sie sind Formel-1-Fahrer, die versuchen, bei rasendem Tempo den Pylonen auszuweichen. Und so faseln sie mit widerwärtiger Offenherzigkeit aufeinander ein, wobei jeder vor dem anderen die gleiche geschmacklose Egomanie zur Schau stellt. Dannsteht Lance auf, um mit Robyn, die eindeutig Angst vor ihm hat, und der lächelnden Starry zu tanzen, während Lennox sich Gedanken über sein weiteres Leben macht.
    Er kann Trudi nicht heiraten. Wenn es ihnen je ernst gewesen wäre, wären sie längst verheiratet. Kennengelernt hat er sie, da war sie achtzehn und er siebenundzwanzig. Acht Jahre ist das her. Er war gerade zum zweiten Mal befördert worden. Detective Inspector Lennox. Er würde es noch zum jüngsten Chief Constable Schottlands bringen, hatten sie gesagt und es gar nicht mal als Scherz gemeint. Aber danach: nichts mehr. Stillstand. Noch mehr Kokskonsum. Dann hatten Trudi und er Schluss gemacht.
    Aber drei Jahre später waren sie wieder zusammengekommen. Er war gerade aus Thailand zurück und wollte clean werden; er ging zu den NA und hatte auch das Kickboxen wieder aufgenommen. Sie liefen sich in einem neuen Sportstudio über den Weg, in dem er ein Probetraining machte. Sie war dort ebenfalls Mitglied, wer hätte das gedacht. Also Kaffee. Lange nicht gesehen. Beide solo. Zwischen ihnen knistert es noch. Lange nicht gespürt. Abendessen. Dann Kino. Kaffee. Bett. Lange nicht gefickt. Der Sex: besser als früher. Trudi: kein pummeliger Teenager mehr, sondern eine geschmeidige, selbstbewusste Fitnessfanatikerin Mitte zwanzig. Er: die enthaltsame Fickmaschine; es regierte der Körperkult. Mehr als ein Kollege riet ihm ab: Alte Liebe aufgewärmt. Vorsicht. Ganz schlechte Idee. Er hörte nicht auf sie.
    Aber sie liebte ihn. Sie liebte ihn, weil er ein Härtefall war und sie eitel genug, sich einzureden, dank ihrer liebevollen Strenge könnte Ray Lennox, Projekt Lennox erfolgreich realisiert werden. Sie könnte einen längst überholten Typ Supermann aus ihm machen, einen Erzeuger wackerer, protestantischer, kleiner Schotten, die sich nicht nur in den geisteswissenschaftlichen Fächern hervortun würden,sondern auch in den Naturwissenschaften und im Schulsport, und darüber hinaus zu den mustergültigen Weltbürgern heranwachsen, die Schotten bekanntermaßen sind. Zumindest die für den Export