Crime
Karrieren, die auf der Verhaftung und strafrechtlichen Verfolgung von Robert Ellis aufgebaut waren, wären für immer besudelt. Und die eigentliche Hassfigur würde für den Rest ihres Lebens auf Kosten des Steuerzahlers auf den Bahamas leben. Das Gruppendenken der bürokratischen Organisation hatte ihren Siedepunkt erreicht: Cornell war der Schuldige. Und du machtest es in deinem Fall nicht anders.
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Alles bis auf das Mädchen
Trudi Lowe sitzt im Hotelzimmer und tut, als würde sie fernsehen, doch eigentlich beschäftigen sie Vorfälle aus ihrem und Lennox’ »vorigem Leben«, wie sie es gewöhnlich nennt. Vor einigen Jahren. Damals war es üblich, dass er betrunken und als der personifizierte Selbsthass bei ihr aufkreuzte. Mit wüsten, aus der Luft gegriffenen Anschuldigungen um sich warf, als behelfsmäßigen Schild gegen das eigene schlechte Gewissen. Sie wusste, wo er gewesen war. Sie hatten über sein Verhalten gestritten, bis er brüllte:– Du hast doch keine blasse Ahnung, wie Männer sind, oder?
Jetzt hatte dieses vorige Leben sie eingeholt. Und ich dachte, er hätte sich geändert . Dieses angemoderte Klischee rutschte ein Stockwerk tiefer in ihre Brust, und eine Stimme aus ihrem Kopf ruft ihm spöttisch nach: So doof kannst auch bloß du sein .
Die Wut steht ihr bis obenhin, will aber einfach nicht überkochen. Sie war aufgestanden, um hin und her zu gehen, schaut nach draußen. Im Sitzen erlebt sie ihren Zorn stärker. Also lässt sie sich wieder in den Sessel fallen und spürt das Gift durch ihre Adern strömen.
Als er clean war und sie es noch einmal miteinander versuchten, hatte er alles aufs Kokain geschoben. Und die NA schien ihm gutzutun. Ihr neues gemeinsames Leben war ihr wie eine Wiedergeburt erschienen. Sie gingen ins Sportstudio, belegten einen Französischkurs, sahen sich Filme an, hatten tollen Sex und unternahmen Campingausflügeund Bergwanderungen. Sein Job war immer ein Thema, aber er machte nicht mehr daraus, als es war: ein Job eben, wenn auch ein besonders fordernder und anstrengender. Aber dann ging die Trinkerei wieder los. Er schob es auf den schrecklichen Fall mit dem ermordeten kleinen Mädchen, und dann war da natürlich noch sein Vater und die Entfremdung von seiner Familie. Ganz gleich, was der Auslöser gewesen war, er trank jedenfalls, und das führte immer irgendwann zum Kokain, und das wiederum zu anderen Frauen. Und dann wäre es aus zwischen ihnen.
Du hast keine blasse Ahnung, wie Männer sind . In dem leeren Hotelzimmer fand diese kränkende Erklärung von einst ein besonders deutliches Echo. Ihr Dad war jedenfalls nicht so, und sie erinnert sich des Fäustlings mit ihrer Kinderhand in seiner, wenn sie auf den blaugrauen Straßen von Tollcross in der Schlange vor dem Kino standen. Sie sieht ihn als jungen Mann, erinnert sich, wie er roch, so klar und deutlich, dass sie am Ende eine Dissonanz spürt, als hätte sie sich im Körper eines zukünftigen Nachfahren reinkarniert. Und auch sein Vater war ein anständiger, sympathischer Mann. Trudi versucht, das nervöse Knibbeln an der Haut um ihre manikürten Fingernägel sein zu lassen, und kommt doch immer wieder auf eines zurück: Eigentlich sind sie hier, um sich zu lieben . Ihr Sexleben wieder in Gang zu bringen. Ihre Hormone spielen verrückt, sie bekommt ihre Tage: sie braucht ihn. Und er ist weg.
Sie weiß, dass ihre Arbeit ein Witz für ihn ist, und findet im Gedanken an dieses Bündel von öffentlichen Diensten, die das Land überhaupt am Laufen halten, plötzlich einen Weg, die Wut, die sie gelähmt hat, in Energie umzuwandeln. Antrieb genug, um sich nach unten in die Hotelbar zu begeben, die jedoch verwaist ist, also bleibt sie nicht, sondern geht hinaus auf die Straße. Sie geht ein Stückchen und beschäftigt sich mit dem vagen Gedanken, dass sie eseigentlich genauso machen kann wie er, aber es zieht sie nicht in die umliegenden Lokale, in denen sich bierselige, lärmende, widerliche Männer drängen, die es offenbar nur in zwei Kategorien gibt– jung und ungehobelt oder mittelalt und schmierig, nichts Akzeptables dazwischen. Auf der Lincoln Avenue wird ihr überdeutlich bewusst, wie isoliert sie ist. Die lebhaften Farben der Bilder im Schaufenster einer Galerie locken sie hinein. Drinnen ist es so gut wie leer. Die Originale sind sehr teuer, doch sie sieht einen Druck, der erschwinglich ist. Sie bleibt davor stehen und fragt sich, ob er Ray wohl gefallen würde. Wahrscheinlich nicht. Denkt sich,
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