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Crime

Crime

Titel: Crime Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvine Welsh , Pößneck GGP Media GmbH
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Lennox geschrieben steht, mit dem gleichen ›L‹, ›o‹ und ›e‹ wie in ihrem Noch-Familiennamen. Vielleicht war es Zeit, anzurufen, ihr alles zu erklären.
    Es ist nichts passiert.
    Aber das stimmte nicht. Es ist viel passiert. Und es passierte immer noch.
    Tianna sieht zwischen ihm und dem Fernseher hin und her, als sei sie drauf und dran, etwas zu sagen. Bevor sie dazu kommt, lässt das schrille Klingeln des Telefons, das auf dem Fußboden liegt, beide zusammenfahren. Sie sehen sich gegenseitig auffordernd an. Jeder will, dass der andere drangeht.– Es könnte deine Mutter sein, geh lieber dran, sagt Lennox, schockiert von dem furchtsamen Kind, das er aus seiner Stimme heraushört.
    Tianna nimmt den Hörer ab. Sie hat eine Lücke zwischen den Schneidezähnen; die hatte er vorher gar nicht bemerkt. Sie sieht damit aus wie ein ganz normales Kind.
    Und nicht wie ein –
    Wie ein ganz normales amerikanisches Kind sieht sie damit aus. Die Waltons . Ein weißer Lattenzaun. Ein Kind, das,wenn es eine richtige amerikanische– was?– Ma, Mum, Mutter, Mom hätte, jetzt eine Zahnspange tragen würde. In den Jahren vor und während der Pubertät als Hannibal Lecter verspottet werden würde, um später das Lächeln einer Infomercial-Moderatorin zu haben.
    – Hi, Süße   … Tianna ist erleichtert, die Stimme ihrer Mutter zu hören, aber sie kennt diesen kläglichen Tonfall, mit dem sie ihr eine Million Entschuldigungen auftischen wird, bis sie das nächste Mal Mist baut. Und Momma kriegt schlimmen Ärger wegen dem voll kaputten Tisch.
    – Hi   … sagt Tianna. Lennox meint zu sehen, wie sie sich sichtlich entspannt. Ihre erst noch eingezogenen Schultern fallen entspannt nach hinten. Doch die Stimme am anderen Ende klingt leicht hysterisch und zittrig. Er kann sie hören, obwohl er ein Stück weg sitzt. Erkennt auch, wem sie gehört. Dann sieht Tianna zu ihm rüber:– Ja, der Mann, der so komisch redet. Jaa   … und dann hält sie ihm auffordernd den Hörer in der einen und das Telefon in der anderen Hand hin.
    Als er ihr beides abnimmt, flitzt Tianna plötzlich mit verstörender Schnellfüßigkeit aus dem Zimmer.– Hallo?
    – Ray   … bist du das?
    Es ist Robyn. Er hatte sich also nicht verhört.
    – Ja. Wo steckst du? Ich müsste–
    – Wart mal, ist mit Tianna alles okay?
    – Aye, sie hat Zeichentrickfilme geguckt. Wann wirst du hier–
    Sie unterbricht ihn.– Hört sie uns zu?
    Er sieht nach. Sie ist verschwunden.– Nee, ich glaub, sie ist in ihrem Zimmer–
    Als sie ihm das dritte Mal ins Wort fällt, merkt er, dass der Grund für ihre Resolutheit nicht Kokskonsum, sondern blanke Verzweiflung ist.– Ray, bitte hör mir zu, ihre Stimme, flehend und drängend, legt sich drückend auf ihnwie eine dunkle, bedrohliche Wolke,– ich kann nicht lang sprechen. Hast du was zu schreiben?
    – Ist alles okay mit dir?
    – Nein, mit mir ist nichts okay, Ray. Ich kann im Moment noch nicht nach Haus kommen, aber du musst Tia da sofort rausbringen! Sofort , kapiert?
    – Was soll das? Wo steckst du?, herrscht Lennox sie an, etwas verärgert, dass sie so über ihn verfügt.– Wenn du in irgendwelchen Schwierigkeiten steckst, sollten wir uns an die Polizei wenden. Die Typen von gestern Abend–
    – Nein! Versprich mir, Ray, versprich mir , ruf bitte nicht die Po-li-zei. Die nehmen sie mir weg, die stecken sie ins Heim! Bitte, Ray, bitte, bettelt sie mit heiserer, fast erstickter Stimme,– ruf bloß nicht die Polizei. Versprich’s mir!
    – Okay.
    – Bitte, du musst mir einen Gefallen tun. Hast du was zu schreiben da?
    – Was?, sagt Lennox; als er Tianna ins Zimmer kommen sieht, macht er eine Schreibbewegung, doch das Mädchen entzieht sich und verschwindet wieder hinter die Tür. Ach ja, Trudis Notizbuch mit dem Bleistift in der Ringheftung.– Bin so weit. Was läuft hier eigentlich?
    – Du musst Tia wo hinbringen. Jetzt sofort.
    – Ich– du kannst deine Tochter nicht bei mir abladen, protestiert er.– Ich könnte doch Gott weiß wer sein!
    – Ich vertrau dir, Ray, flüstert Robyn gehetzt und rückt mit der Anschrift raus.
    Er kennt die Sorte Männer, denen sie vertraut– hat genug von ihnen eingelocht, von diesen Männern, die Gott weiß warum das Vertrauen einer Frau gewonnen haben. Wenn man die betreffenden Frauen dann gesehen hat, wundert einen nichts mehr. Lennox kritzelt widerwillig die Adresse hin. Er will sie gerade wiederholen, als er am anderen Endeplötzlich einen gutturalen Protestschrei

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