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Crime

Crime

Titel: Crime Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvine Welsh , Pößneck GGP Media GmbH
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weiterging. So sind nun mal die Regeln. Sie manövrierten mit einem knappen Budget. Kostendämpfende Maßnahmen hingen immer in der Luft. Es würde ein Disziplinarverfahren geben. Anklagen wegen grober Fahrlässigkeit. Fristlose Entlassungen. Die Frage war nur, wie weit nach unten der Schwarze Peter durchgereicht würde.
    Kritische Stimmen wurden laut. Ein gut recherchierter Hintergrundbericht erschien auf der Titelseite des Independent . Es wurden Zweifel an der Stichhaltigkeit der Anklage gegen Robert Ellis geäußert, die deinen Verdacht bestätigten, dass ein Serientäter sein Unwesen trieb. Doch durch den Druck von Toals Seite sahst du dich gezwungen, weiter an Angela Hamil und den Männern in ihrem Leben dranzubleiben.
    – Da läuft doch irgendne Scheiße, die deckt doch irgendwen, hatte Toal erklärt, und sein Morningside-Akzent verdickte sich zu Tollcross, was dir vor Augen führte, dass deinem Chef im Leben auch vollkommen andere Möglichkeiten offengestanden hätten. Jemand, aus dem unter anderen Umständen auch ein Ganove hätte werden können.– Nehmen Sie sie hart ran, Ray, hatte er gesagt.– Ich kenn das schon von schwachen Frauen wie ihr. Die lassen sich von irgendeinem miesen Drecksack einwickeln. Finden Sie raus, wer er ist!
    Also wurde das Sexleben von Angela Hamil bei dir zur Besessenheit, wie bei der gesamten Abteilung für Schwerkriminalität. Du ließest spöttisch durchblicken, dass du ihr kein Wort glaubtest, als sie erklärte, sie hätte »wegen der Kleinen nie Männer mit nach Haus gebracht«. Du wusstest, die Frau war viel zu zerrüttet, um dir etwas entgegensetzen zu können. Du verabscheutest ihre Passivität, du sahst, du fühltest dich selbst zu einem so brutalen Kerl werden wie wahrscheinlich die meisten anderen Männer in ihrem Leben, aber du konntest nicht aufhören. Schließlich quetschtest du einen Namen aus ihr raus– ein Graham Cornell, der beim Scottish Office arbeitete und von ihr als »mein Bekannter« bezeichnet wurde.
    Ein paar Tage später studiertest du im Büro mal wieder die gefürchtete weiße Kunststofftafel. Nach einer Weile kam Ally Notman dazu und lud dich auf ein Bier ein. Als du in Bert’s Bar kamst, waren sie alle da. Es war eine abgekartete Sache. Erst war noch alles ganz entspannt, dann brachten Gillman und Notman die Sache ins Rollen.– Der war’s. Cornell, sagten sie unisono.
    Das war das Stichwort für Harrower und McCaig, ebenfalls einzustimmen. Du bist doch einer von uns. Unser Anführer. Der Boss. Lass uns nicht hängen. Der verarscht uns doch alle.
    Zum Teil pflichtetest du ihnen bei. Irgendwas an dem Mann war verdächtig. Doch dann sprachst du am Halloweenabend mit Cornell. Er verließ gerade seine Wohnung in einem roten Kostüm mit Hörnern und zweizackigem Schwanz. Selbst wenn du diese Aufmachung außer Acht ließest, das ganze Verhalten von Graham Cornell verkündete, dass er eindeutig schwul war. Die Vorstellung, er würde ein kleines Mädchen entführen, erschien dir absurd. Aber unter den Jungs gab es einige, solche wie Gillman, für die schwul gleich pervers gleich Kinderschänder war. Und wenn man sie in noch so viele Sensibilisierungskurse schickte, diese Gleichungen waren schon vor so Langem aufgestellt und ihnen eingetrichtert worden, dass sie jederzeit aus der Mottenkiste geholt werden konnten. Und in dieser ausgepowerten, verzweifelten Truppe, die in ihrem kleinen Büro unter dem Neonlicht schwitzte, sich rote Augen vor Computerbildschirmen holte, an Türen klopfte und immer wieder die gleichen Fragen stellte, kamen sie sofort wieder an die Oberfläche. Du hattest die Befürchtung,du seist der Einzige, der sich der kollektiven Psychose bewusst war, die sie befallen hatte. Sie verstummten jedes Mal, wenn Drummond, die einzige Beamtin im Team, den Raum betrat. Selbst Notman, der mit ihr zusammenlebte.
    Du reagiertest auf die auf dich einplappernden Stimmen, indem du deinen eigenen, zunehmend an dir nagenden Bedürfnissen nachgabst. Eines trüben Nachmittags Anfang November brachte dich ein Zug über die Grenze nach Newcastle. Nach einer kurzen Taxifahrt warst du in einer baufälligen Pinte im Westend der Stadt, wo du dich als schottischer Cop sicher genug fühltest, dein erstes Gramm Koks seit vier Jahren zu kaufen.
    Du brauchtest es genauso nötig, wie die anderen Cornell zu brauchen schienen. Es durfte nicht eingestanden werden, dass ein mehrfacher Kindermörder frei herumlief. Die unzähligen juristischen und polizeilichen

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