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Crime

Crime

Titel: Crime Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvine Welsh , Pößneck GGP Media GmbH
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rumhalluziniere und an die Leiche eines sexuell missbrauchten und gefolterten siebenjährigen Mädchens denke, die ich aus dem Meer gezogen hab. Und es war alles meine Schuld. Sie kam aus einer Sozialsiedlung: Vielleicht hab ich sie ja unterdrückt.
    – Schluss jetzt!, schimpfte John Lennox.– Benehmt euch gefälligst, ihr zwei. Also bitte.
    Ein altgedienter schneller Blick– Burgfrieden– zwischen dir und deinem Bruder, während der Kellner an den Tisch kam, um die Desserts vorzuschlagen. Während du dein Glas nachfülltest, hörtest du, wie das Gespräch sich den Hearts und dem Rausschmiss von George Burley zuwandte, und wolltest gerade mit Begeisterung darauf einsteigen, als dein Handy klingelte. Es war Keith Goodwin.– He, Ray. Wie steht’s? Wo hast du gesteckt?
    – Ich sitze mit meiner Familie zusammen und trinke Champagner, hast du gesagt.– Ich hab mich gerade verlobt.
    – Gratuliere, aber, äh, der Alkohol, ist das vernünftig? Ich will sagen–
    – Ich ruf dich später zurück, Keith, hast du gesagt und dein Handy ausgeschaltet. Spaßbremse war Spaßbremse, ob nun mit Alkohol und Drogen oder ohne. Du schworst dir, dir am Abend einen anständigen Drink zu machen. Das gehörte sich einfach so, wenn man sich verlobte und Kindermörder hinter Gitter brachte.
    Am nächsten Montagmorgen wurden alle kalt erwischt. Das Team war noch verkatert von der gestrigen Feier, und du warst nach deinem Verlobungsessen ebenfalls leicht angeschlagen.
    Ronnie Hamil hatte vielleicht kein Alibi angeben können, doch die Krankenhausunterlagen des Western General’s Accident and Emergency Department konnten es. Ein Mann hatte Hamil aus dem Union Canal gefischt, in den er am Dienstagabend vor Britneys Verschwinden betrunken reingestolpert war, nachdem er reichlich dem Wermut zugesprochen hatte. Sie hatten ihn bis zehn Uhr am Folgetag im Krankenhaus behalten, und anschließend hatte er seine Alkoholexzesse in der Wohnung eines Freunds fortgesetzt und sich friedlich ins Koma gesoffen, ohne zu ahnen, dass er der meistgesuchte Mann in ganz Schottland war. Er war zu betrunken gewesen, um sich an den Vorfall zu erinnern, aber sein Retter, ein zufällig vorbeigekommener Jogger, erinnerte sich sehr genau.
    Nachdem der Großvater aus der Haft entlassen war, riefst du als Erstes George Marsden an und schildertest ihm die Lage.
    – Tscha, hatte George kurz und knackig kommentiert.
    Vielleicht übertrug sich etwas von seiner Selbstgefälligkeit auf dich. Der Geruch des Versagens schwängerte an diesem Abend die Luft, als dein Team von der Schwerkriminalität sich erschöpft in Bert’s Bar versammelte. Du warst dir keines Hab-ich’s-nicht-gesagt-Ausdrucks im Gesicht bewusst, konntest es aber auch nicht hundertprozentig ausschließen. In der Kneipe gärte es den ganzen Abend, bis Ally Notman irgendwann lallte:– Er is n dreckiger Kinderficker. Der hätt’s auch verdient gehabt.
    – Er ist ein Sack voll Scheiße, aber er ist kein Kindermörder, außerdem wäre der echte straflos davongekommen, hast du zurückgeschossen. Ein oder zwei am Tisch nickten. Die meisten aber vermieden den Blickkontakt mit dir. Du warst isoliert, nicht zum ersten und nicht zum letzten Mal, weil du das Verbrechen begangen hattest, nicht mitzumachen.
    Am Abend darauf, als du nach einer weiteren einsam durchgemachten Nacht, in der du dich durch Akten, Aussagen und Videoaufzeichnungen gearbeitet hattest, das Polizeipräsidium verlassen wolltest, kam eine silberhaarige Gestalt im Mantel durch die automatischen Türen geschlurft und sprach dich an.– Alles okay?, fragte dich dein Boss.
    – Tut mir leid, Bob. Wir haben nichts. Null, sagtest du. Es war das erste Mal, dass du Bob Toal sahst, nachdem sich die Spur Ronnie Hamil als Sackgasse erwiesen hatte. Dein Boss sah jetzt genauso mitgenommen aus, wie du dich fühltest.
    – Dranbleiben, nickte Toal, und boxte mit seiner Faust leicht an deine Schulter, der väterliche Klaps eines Fußballtrainers, der schon genügte, um dich wieder loszuschicken in die fadenscheinige Dunkelheit einer frostigen Edinburgher Nacht.
    Du kamst dir zutiefst nutzlos vor. Der Cop als Popper’scher Philosoph: Du widerlegtest jede Hypothese, mit der deine Abteilung aufwartete. Während die nächsten paar Tage vorbeirollten, fühltest du mit deinem Chef. Die Pensionierung stand kurz bevor, und Toal wollte unbeschadet über die Ziellinie kommen. Schuldzuweisungen kamen injedem Polizeikommissariat vor, wenn es in einem großen Fall nicht

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