Crime
… drei … Ich kann gar nicht genug betonen, wie wichtig die langsame, kontrollierte Ausführung ist … Melanie?
Trudi Lowe packt ihr Sport-Outfit in eine kleine Tasche und geht schnell um die Ecke zum Crunch Fitnessstudioauf der Washington Avenue. Sie hatte sich erinnert, wie Aaron Resinger sagte:– Ich gehe zu Crunch. Es ist funktionell und freundlich. Alle Formen, alle Größen, aber alle sind wirklich zum Trainieren da. Ich hasse diese Studios, in denen die Leute bloß auffallen wollen und posieren.
Der effeminierte junge Mann am Empfang begegnet ihr zuerst mit hochnäsiger Blasiertheit, doch sobald er Trudis exotischen Zungenschlag hört, wechselt plötzlich seine Stimmung, und er entscheidet sich für den exaltierteren Auftritt:– Mein Gott, ich bin verrückt nach diesem Akzent! Wo kommen Sie her?
Trudi gibt pflichtschuldig Auskunft, während sie die Tageskarte für vierundzwanzig Dollar ersteht. Wie jede Tochter Kaledoniens, die etwas auf sich hält, rechnet sie in Pfund Sterling um. Was bekommt sie für ihr Geld? Sie denkt über eine etwaige süße Beigabe nach, doch es ist unwahrscheinlich, dass sie Aaron hier trifft. Er hat schließlich zu arbeiten und wird gerade hochpreisige Immobilien verkaufen. Nein, dass ich dich hier treffe! Sorry, dass ich wegmusste, ohne Auf Wiedersehen zu sagen. Vergeben und vergessen? Kaffee? Super.
Trudi muss an ihn denken, denn wenn sie an ihren Verlobten denkt, steigen immer wieder neue Wogen von Wut, Frust und Verzweiflung in ihr hoch. Er hatte doch den Nerv gehabt– die beschissene Unverschämtheit –, sie zu fragen, was zwischendurch mit anderen Männern gelaufen war, in der Beziehungspause, zu der es durch sein Fremdgehen gekommen war. Und jetzt bringt Ray irgendein wildfremdes Kind– ein kleines Mädchen – von hier nach Gottweißwo.
Während sie die schmale Treppe vom Empfang in den Fitnessbereich hochsteigt, überkommt sie ein Frösteln. Sie erinnert sich an Ray, wie er mit vors Gesicht geschlagenen Händen auf dem Boden hockt und verstörende Dinge über kleine Mädchen in Thailand wimmert. Das Gefühl schlägteinen widerhallenden Gedanken an, der in einer dunklen Ecke ihres Hirns beginnt und sich potenziert, je klarer ihr wird, dass es nicht er ist, um den sie Angst hat.
Highway41 durchschneidet die Everglades bis Bologna, von dort aus wird er bis nach Tampa zur Küstenstraße. Trotz der Klimaanlage im Wagen wird das lederbezogene Lenkrad unter Lennox’ feuchten Händen schmierig. Trudi rückt in immer weitere Ferne, und das Kind neben ihm ist wieder verstummt und studiert seine Sammelkarten. Ein Muster zeichnet sich ab: Tianna steckt vorsichtig den Kopf aus der Deckung, dann erinnert irgendetwas in der Gegenwart sie an die vergiftete Frucht ihrer Vergangenheit, und sie verkriecht sich kompromisslos in sich selbst zurück. Aber egal: er konnte warten.
Der im Südwesten Floridas liegende Teil des Tamiami Trails ist ein verschandelter Schlauch von Shopping Malls, Fast-Food-Läden und Gebrauchtwagenhandlungen, die bis Bologna nicht schöner werden. Ein paar rudimentäre Touristeninformationen in seinem Florida-Atlas hatten erklärt, der Name der Stadt sei zwar Bologna, sie sei aber nach dem Vorbild einer anderen italienischen Stadt errichtet worden: dem Kleinod Venedig. Die Ähnlichkeit beschränkte sich darauf, dass beide über ein weitverzweigtes Kanalsystem als Verkehrsnetz verfügten. In Bologna, FLA war es allerdings hauptsächlich touristischen Zwecken vorbehalten. Rentner und Freizeitmatrosen mit Zweitwohnsitz erfreuen sich an dem Netz aus Wasserwegen, das sich von Hausgärten mit angedockten Booten bis weit hinein in Tausende von Inseln und dann in den Golf von Mexiko erstreckt.
Lennox betrachtet die gut beschilderten Straßen, die zu den am Reißbrett entworfenen bewachten Wohnanlagen, Rasenflächen mit schöner Aussicht und ausgebaggertenSeen führen. Die Werbefirmen haben sich idyllische und typische Namen wie Spring Meadow, Ocean Falls oder Coral Reef für sie ausgedacht, die keinerlei Bezug zur geografischen Wirklichkeit haben. Aber auf die Pensionäre aus den Staaten im Norden mit ihren unbarmherzigen Wintern mussten die Hochglanzbroschüren und Websites, die ihnen einen lieblichen Zufluchtsort in der Sonne versprachen, einen arkadischen Reiz ausüben. Deswegen radierten Baugesellschaften eine üppige Vegetation aus und setzten ihre vorgefertigten Hausgerippe in die Landschaft, an die sie noch Holztafeln, Schlackenbeton, PVC und
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