Crime
Kohle. Die stehn nicht auf Experimente.
Bei näherem Hinsehen muss er ihr recht geben. Die gestressten Yuppiearschlöcher mit Zweitwohnsitz, wie der Typ vom Parkplatz, sind eher in der Minderheit. Tatsächlich sind es vorwiegend ältere Herrschaften, die ihr ganzes Leben lang hart gearbeitet haben, um etwas beiseitezulegen, und die sich nun ihr Plätzchen an der Sonne leisten. Die Kleine ist kein Dummchen. Sie ist ein saucleveres kleines Ding. Unter den richtigen Bedingungen könnte sie sich aneignen, was sie braucht, um aus ihrer emotionalen Abhängigkeit herauszuwachsen, wie die meisten Kinder, wenn sie sich abnabeln. Solide Schulbildung. Selbstvertrauen und echte soziale Kompetenz entwickeln. Nicht bloß diese pseudo-abgebrühte Kessheit, die nur dazu führen wird, dass sie in den Armen von irgendeinem Frauenschläger landet. Mit etwas Hilfe kann dieses Kind den Kreislauf des Missbrauchs durchbrechen, der wahrscheinlich seit Generationen diese Familie beherrscht . Vielleicht ja auch nicht; vielleicht hatte Robyn nur deswegen Mist gebaut, weil sie das schwächste Glied war.– Deine Mutter hat’s wohl auch nicht immer leicht gehabt, was?
Tiannas Augen und Lippen werden schmal, während sieeine Haarsträhne zwischen Daumen und Zeigefinger reibt.– Momma ist okay … sie war echt gut zu mir. Ich glaub, weil sie noch so jung ist, feiert sie gern noch ab und so. Aber sie lernt anscheinend immer die falschen Kerle kennen. Am Anfang sind die immer ganz nett, aber das ändert sich dann schnell. Du bist der Einzige, der in Ordnung ist.
Lennox spürt, wie sich seine Kehle zuschnürt. Er hat Trudi sitzen lassen, ist ausgegangen und hat mit zwei wildfremden Frauen gekokst bis zum Gehtnichtmehr. Es kriecht ihm eiskalt die Wirbelsäule hoch. Was zum Henker habe ich mir dabei gedacht?
– Wie ist denn deine Momma, Ray?, fragt Tianna und fügt dann mit rabenschwarzem Humor hinzu:– Ist sie so durchgeknallt wie Robyn?
– Wie eine Mutter halt. Er hört die Schroffheit in seiner Antwort und muss daran denken, wie seltsam es wäre, sie beim Vornamen zu nennen. Avril. Avril Lennox, geborene Jeffreys. Eine Mutter halt. Was soll das überhaupt sein?
– Ich wette, sie ist nett, sagt Tianna, Lennox aus seinen Gedanken reißend, und ihm hängt erst mal der Mund offen.– Deine Mom. Das weiß ich, weil du auch nett bist, nicht wie die andern Männer, die Momma mitbringt … Dieser Vince; am Anfang war er nett.
– War das ein Freund deiner Mum?
Sie nickt langsam, verstummt und senkt den Kopf.
Lennox hakt nicht nach, er möchte, dass sie weitererzählt, nicht, dass sie sich verschließt.– Und was ist mit deinem Vater, siehst du den manchmal?
– Er ist bei einem Autounfall gestorben, als ich noch ein Baby war, sagt sie und blickt auf, um zu sehen, wie er reagiert.
– Das tut mir leid, sagt er. Er weiß, dass sie lügt.
– Ich erinnere mich nicht mehr gut an ihn.
Das ist die Wahrheit. Es war die Abwesenheit ihres Vaters, die ihn so überpräsent erscheinen ließ. Lennox denktan die Baseball-Sammelkarten, während er ein erschöpftes Gähnen unterdrücken muss. Er betrachtet ihren Geplättetes-Schaf-Rucksack.– Deswegen liebst du die Sammelkarten so.
– Die Karten … ja, meint sie und weicht wieder seinem Blick aus.
Sie verdient mehr, aber erst mal muss sie überleben. Typen wie Dearing und Johnnie sind zu meiden. Sie sind Abschaum, aber keine Einzelgänger wie Mr. Confectioner. Irgendwas geht hier vor. Es hat den Anschein, als wären die Kinderschänder überall, als wären Robyn und ihr Kind von einem Rudel wild gewordener Pädos umstellt. Das bild ich mir doch nicht bloß ein. Dieser Vince, ob der Dearing kennt? Oder Johnnie?
Sie trinken aus und gehen zurück nach draußen. Die Sonne ist hinter den Horizont gesunken, hat aber noch genug Kraft am wolkenlosen Himmel. Lennox reibt sich wieder die müden Augen und setzt die Basecap auf; er stellt das Band neu ein, passt sie seiner Kopfform an. Tianna kann die Ocean Dawn nicht ausmachen, aber ihm ist klar, dass diese glänzenden, weißen großen Boote für sie wahrscheinlich alle gleich aussehen. Er blickt über die schmale Bucht zu dem Rohbau hinüber und sieht, dass die Bauarbeiter auf dem Gerüst gerade Pause machen. Einer von ihnen winkt ihm zu: der Mann von dem Zwischenfall auf dem Parkplatz. Er erwidert den Gruß.
Das Büro des Hafenmeisters liegt in einer Zeile mit Maklergeschäften und Versicherungsbüros. Der Manager der Marina ist ein Mann Mitte
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