Crimson - Teuflische Besessenheit (German Edition)
Siedlung; es war wirklich eigenartig, einerseits Mordfälle und Entführungen aufzuklären, die von einer Gruppierung ausgingen, deren Taten ich allmählich verstand – und andererseits dabei das uner klärliche Wohlwollen gegenüber diesen Leuten zu spüren. Außerdem war ich mir sicher, dass sie nicht dasselbe Gefühl mir gegenüber hegten, und deshalb riet mir mein Verstand zu Vorsicht und Behutsamkeit. Ich wusste nicht einmal, über welche Themen ich diese Leute befragen wollte. Ich kam mir vor wie ein Hund, der hinter fahrenden Autos her rennt, und wenn er sie dann doch erwischen sollte, nicht weiß, was er mit dieser übermächtigen und fetten Beute anfangen soll.
Jedoch war mein Hauptgrund, den Amish einen Besuch abzustatten, nicht mal mehr die Mordfälle, sondern Elsa. Ich glaubte zu wissen, dass sie sich in deren Gewalt befand, obgleich ich keinen Beweis dafür hatte. Und da meine Verdächtigungen vermutlich nicht mehr als Hirngespinste waren, ließ mich der Gedanke nicht los, dass Elsa einer Intrige zum Opfer gefallen war, wobei ich ihre Familie in Verdacht hatte. Insbesondere ihren Vater, von dem ich annahm, ihm schon einmal begegnet zu sein.
Als ich in meinen Wagen stieg und den Motor anließ, betrachtete ich mich im Rückspiegel. Ich erkannte einen Mann, dessen Leben direkt in den Abgrund zu führen schien, und dem die letzten Stunden womöglich irgendwann wie Jahre vorkommen würden. Verdammte Scheiße!
Ich trieb mich selbst zur Eile an, denn jede Sekunde erwartete ich Fender und seine Leute. Als ich den Wagen in Bewegung setzte, spürte ich, wie sich meine Hände plötzlich verkrampften. Was zum Teufel war nur los? Hielt ich dem Druck nicht mehr stand? Hatten die mich doch gebrochen?
Fragen über Fragen, welche mich beinahe in den Wahnsinn trieben. Ich atmete einmal tief aus und versuchte, wieder wie ein richtiger Cop zu denken.
Einige Minuten später hatte ich schließlich die ersten Häuser der Siedlung erreicht. Erneut war keine Menschenseele zu sehen. Ich kam wohl zu spät, die Amish hatten sich bereits in ihren Gebäuden verkrochen, es rührte sich absolut nichts. Ich kam mir vor wie in einer Geisterstadt, fühlte mich aber dennoch beobachtet. Sofort wurden Erinnerungen wach, wie ich mich auf meiner ersten Dienstfahrt durch Crimson befand und das Haus suchte, in dem dieser seltsame, selbsternannte Bischof verschwunden war, nachdem er sich wutentbrannt von mir verabschiedet hatte. Während ich mir die damalige Situation nochmals durch den Kopf gehen ließ, kam in mir plötzlich ein Gefühl der Lüge auf. Ich konnte mir keinen Reim darauf machen, bis mir schlagartig ein Gedanke die Lösung präsentierte: Hatte er etwa mit mir gespielt? Sicherlich, meine provokanten Worte waren wohl Auslöser genug gewesen, doch mir schien im Nachhinein, dass ihm mein aggressives Verhalten sehr gelegen kam. Mit aller Gewalt hatte er sich meinen Verdächtigungen widersetzt, und ging man nach dem Standard der FBI-Ermittlungen und Verhaltensforschung beim Befragen von Verdächtigen, so konnte man so gut wie immer davon ausgehen, dass, wenn jemand schuldig war, sein Benehmen in Aggression umschlug, wogegen ein Unschuldiger eher in sich zusammensackte und Traurigkeit und Verzweiflung sein Verhalten bestimmten. Außerdem glaubte ich ein wissendes Lächeln auf seinen Lippen bemerkt zu haben, als er in seinem Haus verschwunden war. Es könnte aber auch sein, dass ich mir eben jetzt die ganze Sache so hingedreht hatte, wie es mir in den Kram passte. Wie dem auch sei, mein Ziel sollte dieses Haus werden.
Leider erwies sich das Auffinden aber schwerer als vermutet. Sämtliche Häuser der Amish sahen sich so verdammt ähnlich. Ich war kurz davor aufzugeben. Dies ging sogar so weit, dass ich am liebsten davongerast wäre, um die Staatsgrenze zu erreichen und irgendwo in Kanada unterzutauchen. Doch im letzten Moment erreichte ich das Haus tatsächlich noch, und ich stoppte meinen Wagen.
Eine ganze Weile rührte ich mich nicht. Aufregung und Adrenalin kochten in mir hoch, zwei Komponenten, welche ich gar nicht vertrug, selbst wenn sie einem die Sinnesorgane auf Hochtouren laufen lassen. Doch man muss sich dabei vorsehen, denn schnell können sie sich vermischen und in blanke Angst verwandeln, die man dann nicht mehr unter Kontrolle bekommt. Jake, dein Auftritt naht!
Den Wagen hinter dem Haus parkend, erstickte ich endlich meine letzten Zweifel der Einsamkeit, die ich während der Anwesenheit von Elsa nie verspürt hatte.
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