Crimson - Teuflische Besessenheit (German Edition)
Bewegung, und wenn es mich meinen Job kostet. Ich habe keine Lust, als Flüchtling wie Robert zu enden. Eine Ladung Dynamit mit Zeitzünder unter meinem Sitz ist wirklich das Letzte, was ich mir als Weihnachtsgeschenk wünschen würde. Sie verstehen?«
»Voll und ganz. Geben Sie mir die eine Stunde. Ich melde mich, sobald ich mich auf dem Rückweg befinde. Over and out!«
»Over and out, Sheriff!«
Die untergehende Sonne tauchte die Umgebung in ein dunkles Rot. Es war ein wunderschöner Anblick, und für einen kurzen Moment vergaß ich, weswegen ich hergekommen war. Wie konnte man an solch einem schönen, wenn auch eiskalten Abend nur an Morde oder dergleichen denken? Wie boshaft doch die Welt sein konnte.
Plötzlich hörte ich einen weit entfernten Schuss, der noch lange nachhallte! Ich schreckte auf und hielt den Atem an, während ich in alle Richtungen schaute. Nichts war zu sehen, nur dieser tiefrote Schnee!
Der zweite Schuss ließ mich noch mehr zusammenfahren. Dabei musste ich mich derart ungeschickt bewegt haben, dass ich das eingebaute Funkgerät berührt und damit eingeschaltet hatte. Mein Blick verriet mir, dass ich es auf eine andere Frequenz verstellt hatte. Ich hörte das typische Rauschen, das immer dann ertönt, wenn man auf einem Kanal keinerlei Empfang bekommen kann. Schon wollte ich das Gerät wieder abschalten, als meine Ohren plötzlich eine unbekannte Stimme vernahmen. Erst konnte ich es nicht verstehen, und ich drehte am Tuningrad, um die Feineinstellung vorzunehmen, doch die Stimme verstummte wieder.
Ich horchte angestrengt, bis sie plötzlich wieder deutlicher zu hören war. Es schien ungewöhnlich und fast schon bizarr, inmitten der Schneewüste derartige Geräusche zu vernehmen, wenn man bedenkt, dass hier weit und breit kein Mensch ansässig war und die Amish keinerlei Technik besaßen. Oder etwa doch? Möglicherweise drangen die Geräusche von New Rock bis in diese Gegend vor, wobei ich das stark bezweifeln musste, da die Frequenz in diesem Hertz-Bereich ausschließlich für den Polizeifunk reserviert war und die Benutzung ohne eine behördliche Genehmigung mit hohen Strafen geahndet wurde. Wie dem auch sei, ich drehte den Lautstärkeregler bis zum Anschlag nach oben, doch nur das weiße Rauschen war zu hören. Mein starrer Blick sah in die einbrechende Nacht, und ich war wie gelähmt. Meine Gedanken schienen völlig woanders zu sein, und ich dachte weit zurück in meine Vergangenheit. Seltsam.
»Где он является?«, vernahm ich. Die Lautstärke erschreckte mich und ich stieß mir den Kopf. Ich war wieder hellwach. Es handelte sich um eine Männerstimme. Sie klang äußerst aufgeregt, dennoch bestimmend. Ich war fest überzeugt, dass Russisch gesprochen wurde.
»Я не указывай это!«, antwortete eine Frauenstimme, ängstlich und eingeschüchtert, ja fast schon weinerlich.
»Was war das?«, fragte ich mich flüsternd, den Finger immer am Regler und starr in die immer finsterer werdende Nacht blickend.
»Если он находится при Tanner-ферме?«, donnerte die Männerstimme erneut.
Das war endlich ein Anhaltspunkt: Das Wort »Tanner« hatte ich verstanden, trotz des ganzen russischen Kauderwelsch. Verdammt noch mal. Die reden vermutlich über die verlassene Farm, welche ich durchsuchen wollte. Das sah wirklich nicht gut aus, und ich hegte den Gedanken, Martin anzufunken und die Kavallerie anrücken zu lassen. Wenn es sich aber doch nur um eine Verwechslung handelte?
Was hatte Marc Richmont noch vor seiner Abreise gesagt, nachdem er mich für den Posten des ermittelnden Polizeibeamten schriftlich vorgeschlagen hatte? »Pass auf dich auf!«
Mit »Вероятно«, meldete sich die Frauenstimme noch einmal zurück, bevor der Funkkontakt endgültig verstummte.
Ich wusste nicht, wie ich nun weiter vorgehen sollte. Die Uhr zeigte kurz vor neunzehn Uhr, als ich schließlich den Motor meines hundertfünfundsechzig PS starken Chevrolet Caprice startete.
Ich kurvte eine Weile ziellos umher. Mein Fernlicht leuchtete die gesamte Umgebung ab, wie zwei Alien-Lichter, die die Welt auskundschafteten, ähnlich wie in H. G. Wells’ Roman »Krieg der Welten«.
Die Nadel meines Tachometers schaukelte hin und her, wobei sie die Fünfzehn-Meilen-Marke nie überschritt. Ich suchte nach dieser verdammten Hütte, obwohl ich insgeheim hoffte, sie nicht zu finden. Warum tat ich es dann, zum Teufel?
Plötzlich tauchte das Haus vor mir auf. Dunkel, einsam
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