Crisis
auf seine Uhr. Die Zeit wurde allmählich knapp. In nicht einmal zwei Stunden würde er im Flugzeug sitzen und vom Terminal wegrollen.
Als Jack die Bibliothek betrat, musste er zweimal hinschauen. In dem Raum herrschte ein sehr viel größeres Chaos als vor seiner Fahrt nach Newton. Latasha sah aus, als büffelte sie für die Abschlussprüfung in ihrem Spezialgebiet. Zahlreiche großformatige Bücher, die sie aus dem gesamten Institut zusammengesucht hatte, lagen aufgeschlagen auf dem Tisch. Jack kannte die meisten davon. Es waren Standardwerke zur inneren Medizin, Physiologie, Toxikologie und Pharmakologie. Die Prozessunterlagen, die Jack ordentlich sortiert hatte, lagen jetzt wild durcheinander – zumindest sah es für ihn so aus.
»Was um Himmels willen ist hier passiert?«, fragte er lachend.
Latasha hob den Kopf von einem aufgeschlagenen Lehrbuch. »Willkommen zurück, Fremder!«
Jack klappte ein paar Bücher zu, die er nicht wiedererkannt hatte. Nachdem er den Titel gelesen hatte, schlug er sie an der gleichen Stelle wieder auf. Er setzte sich Latasha gegenüber.
»Was ist mit Ihrer Schulter passiert?«
Jack drückte immer noch den Gefrierbeutel auf die schmerzende Stelle. Inzwischen enthielt der Beutel fast nur noch Wasser, aber es war immer noch kalt genug, um den Schmerz ein wenig zu lindern. Als er ihr erzählte, was passiert war, bemitleidete sie ihn gebührend und verurteilte Craig unerwartet scharf.
»Es war nicht seine Schuld«, widersprach Jack. »Ich war so sehr mit dem Fall beschäftigt, dass ich nicht einen Moment darüber nachgedacht habe, was für eine hirnverbrannte Idee es war, mich einfach so in sein Haus zu schleichen. Ich meine, einen Tag, nachdem zwei andere Typen bei ihm eingebrochen sind und seine Kinder terrorisiert haben, damit sie ihm ausrichten, dass sie zurückkommen würden, falls ich eine Autopsie vornehmen sollte. Und ich hatte die Leiche gerade obduziert, verdammt noch mal. Was um Himmels willen habe ich mir bloß dabei gedacht?«
»Aber Sie waren Gast in seinem Haus. Man könnte doch annehmen, dass er erst mal nachsieht, auf wen er da mit seinem Baseballschläger losgeht.«
»Ich war nicht länger bei ihnen zu Gast. Aber lassen wir das. Gott sei Dank hat keiner von uns schlimmere Verletzungen davongetragen als eine Schulterprellung. Zumindest glaube ich, dass es nur eine Prellung ist. Aber vielleicht sollte ich mein Schlüsselbein röntgen lassen.«
»Sehen Sie das Ganze doch einfach positiv«, sagte Latasha. »Zumindest sind Sie jetzt ganz sicher, dass er nicht im Koma liegt, nicht wahr?«
Jack musste widerwillig lächeln.
»Was ist mit dem Biomarker-Test? Haben Sie etwas herausgefunden?«
»Nichts, was die Wahrscheinlichkeit erhöhen würde, dass es ein falsches positives Ergebnis war. Ich glaube, wir müssen davon ausgehen, dass das Resultat stimmte.«
»Ich würde sagen, das ist eine gute Nachricht«, entgegnete Latasha. »Das schließt eine Menge potenzieller Wirkstoffe aus.« Ihr Blick schweifte über die Bücher, die sie um sich herum ausgebreitet hatte.
»Sieht aus, als wären Sie ziemlich beschäftigt gewesen.«
»Und wie! Mit Hilfe von ein paar Diet Cokes habe ich meinen toten Punkt überwunden. Das war der reinste Wiederholungskurs in Toxikologie. Ich habe mir diesen ganzen Kram seit der Forensik-Prüfung nicht mehr angeschaut.«
»Was ist mit Allan? Hat er Sie angerufen?«
»Mehrmals, um genau zu sein. Aber das ist auch ganz gut so. Je öfter ich seine Stimme höre, desto leichter fällt es mir, nicht jedes Mal an die alten Zeiten zu denken, und mich über ihn aufzuregen.«
»Hat er irgendwas gefunden?«
»Nein. Überhaupt nichts. Anscheinend versucht er, mich zu beeindrucken, und wissen Sie was? Dabei stellt er sich gar nicht mal schlecht an. Ich meine, ich wusste ja schon auf dem College, dass er einiges auf dem Kasten hat, er hat schließlich Chemie, Mathe und Physik im Hauptfach studiert, aber ich wusste nicht, dass er danach noch aufs MIT gegangen ist und da seinen Ph. D. gemacht hat. Und dafür braucht man schon deutlich mehr Grips als für das Medizinstudium, wo es im Grunde nur auf Ausdauer ankommt.«
»Hat er gesagt, welche Stoffe er bis jetzt ausgeschlossen hat?«
»Die meisten der üblicheren kardiotoxischen Stoffe, die im Screening nicht inbegriffen sind. Er hat mir ein paar von seinen Tricks verraten. Die Chemikalien, die für die Balsamierung verwendet wurden, machen die Sache bei den Gewebeproben, dem Herzen und der Leber zum
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