Crisis
wirkte er, als müsse er selbst bald die Dienste des Instituts in Anspruch nehmen. Sein dünnes, kurzes, dunkel gefärbtes Haar war über seine schorfige Glatze geklebt. Jack unterdrückte ein Lächeln. Der Mann verkörperte perfekt das vertraute, aber falsche Klischee eines Angestellten in einem Bestattungsunternehmen. Er war die Bilderbuchbesetzung für einen Bestatter in einem Gruselfilm. Jack wusste, dass die Wirklichkeit mit dem Hollywood-Bild nicht viel zu tun hatte. Als Rechtsmediziner kam er häufig mit Bestattern in Kontakt, und keiner von ihnen sah so aus wie der Mann, der da vor ihm stand.
»Kann ich Ihnen helfen?«, wiederholte der Mann ein wenig lauter, aber immer noch beinahe flüsternd, obwohl niemand, nicht einmal ein Toter, da war, den er hätte stören können. Er hielt sich kerzengerade, die Hände andächtig über dem Bauch gefaltet und die Ellbogen eng an den Körper gezogen. Das Einzige, was sich an ihm bewegte, waren seine schmalen Lippen. Er schien nicht einmal zu blinzeln.
»Ich suche den Geschäftsführer des Instituts.«
»Zu Ihren Diensten. Mein Name ist Harold Langley. Wir sind ein persönlich geführtes Familienunternehmen.«
»Ich bin Rechtsmediziner«, sagte Jack. Er ließ seine offizielle Marke aufblitzen, steckte sie aber so schnell wieder weg, dass er sich ziemlich sicher sein konnte, dass Harold Langley nicht dazu gekommen war, zu bemerken, dass sie nicht aus Massachusetts stammte. Harold versteifte sich sichtlich, als käme Jack von der staatlichen Zulassungsbehörde. Jack, der von Natur aus misstrauisch war, wunderte sich über seine Reaktion, doch er fuhr ohne Unterbrechung fort. »Sie haben sich um die Beisetzung von Patience Stanhope gekümmert, die im vergangenen September verstorben ist.«
»Das haben wir, in der Tat. Ich kann mich noch gut daran erinnern. Wir haben auch die Trauerfeier für Mr Stanhope organisiert, ein äußerst bekanntes Mitglied der Gemeinde. Und bedauerlicherweise auch für das einzige Kind der Stanhopes.«
»Oh!«, brummte Jack als Antwort auf diese Information, um die er gar nicht gebeten hatte. Hastig speicherte er sie ab und kehrte wieder zu seinem eigentlichen Anliegen zurück. »Im Zusammenhang mit Mrs Stanhopes Tod sind einige Fragen aufgetaucht, und es wird in Erwägung gezogen, sie exhumieren und obduzieren zu lassen. Hat das Bestattungsunternehmen Langley-Peerson Erfahrung mit solchen Dingen?«
»Ja, aber nur in sehr unregelmäßigen Abständen«, antwortete Harold, der sich entspannte und wieder in seine ursprüngliche beherrschte Förmlichkeit zurückfiel. Er betrachtete Jack offensichtlich nicht mehr als eine potenzielle Bedrohung. »Sind Sie im Besitz der erforderlichen Unterlagen?«
»Nein. Ich hoffte, dass Sie mir in dieser Hinsicht weiterhelfen könnten.«
»Natürlich. Sie brauchen eine Genehmigung für die Exhumierung, eine Genehmigung für die Überführung der Leiche, eine Genehmigung für die erneute Bestattung und, das Wichtigste, die Genehmigung muss die Unterschrift des gegenwärtigen Mr Stanhope, ihres nächsten Angehörigen, tragen, der der Exhumierung zustimmen muss.«
»Darüber bin ich informiert. Haben Sie die nötigen Formulare eventuell hier?«
»Ja, ich glaube schon. Wenn Sie mir folgen wollen, gebe ich sie Ihnen.«
Harold führte Jack durch einen bogenförmigen Durchgang auf die Treppe zu, bog aber gleich dahinter nach links in einen abgedunkelten, mit hochflorigem Teppich ausgelegten Flur ab. Jetzt verstand Jack, wie es Harold gelungen war, so lautlos aufzutauchen.
»Sie erwähnten, dass der erste Mr Stanhope ein bekanntes Mitglied der Gemeinde gewesen sei. In welcher Eigenschaft?«
»Er war der Gründer der Stanhope Insurance Agency of Boston, die in ihren Glanzzeiten sehr erfolgreich war. Mr Stanhope war ein wohlhabender Mann und ein wirklicher Philanthrop, was in Brighton recht selten ist. Brighton ist eine Arbeitergegend.«
»Was bedeutet, dass der gegenwärtige Mr Stanhope ein wohlhabender Mann sein muss.«
»Zweifellos«, sagte Harold, während er Jack in ein Büro führte, das genauso streng und nüchtern war wie er selbst. »Die Geschichte des gegenwärtigen Mr Stanhope könnte aus der Feder von dem großen Geschichtenerzähler Horatio Alger persönlich stammen. Er wurde als Stanislaw Jordan Jaruzelski geboren, ein Junge aus einer hier ansässigen eingewanderten Arbeiterfamilie, der gleich nach seinem Abschluss an der Brightoner Highschool in der Versicherungsagentur zu arbeiten begann. Obwohl
Weitere Kostenlose Bücher