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Cristóbal: oder Die Reise nach Indien

Cristóbal: oder Die Reise nach Indien

Titel: Cristóbal: oder Die Reise nach Indien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Orsenna
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Prahlerei kann ich versichern, dass wir während dieser Lissabonner Jahre gut gearbeitet haben und dass unsere kleine Kartenhandlung nur so danach verlangte, größer zu werden und zu florieren. Hätte nicht Cristóbals Traum alles hinweggefegt.
    So wie es Menschen des Friedens und Menschen des Krieges gibt, Generäle, die auf dem Schlachtfeld ohnegleichen sind, sich aber als unfähig erweisen, ein Landgut zu verwalten, so scheinen auch gewisse Seefahrer besser daran zu tun, niemals ihr Element zu verlassen: Sobald ihre Beine, die auf See den Wellengang so geschickt ausgleichen, mit dem Festland in Berührung kommen, lösen sie Katastrophen aus.
    Das war zweifellos das Erbe der Familie Colombo. Warum hatsich mein Bruder nicht mit Titeln und der Berufung zum Admiral begnügt? Er hätte Entdeckungen gemacht wie niemand sonst und anderen die Sorge um das Regieren überlassen.
    Dann hätte sein Ruhm keinen Schaden genommen.

 
     
     
     
    Was ist
Aplomb?
    Da ich über unglaublich viel freie Zeit verfüge, habe ich mir alle auf Hispaniola verfügbaren Wörterbücher auf mein Zimmer kommen lassen.
    Und da der Zustand meiner Beine mir zumeist verbietet, den Palast zu verlassen, spaziere ich von Buchseite zu Buchseite wie eine große alte Biene, die sich anstrengt, Nektar zu sammeln, ohne noch viel Geschmack an den Blumen und im Übrigen auch nicht an ihrem Duft zu finden. Bisweilen reißt mich dann ein Wort aus dieser Müdigkeit am Leben, die Gott in Seiner Gnade erfunden hat, damit uns das Nahen des Todes weniger grausam, wenn nicht sogar wünschenswert erscheint.
    Aplomb. Was sagen meine guten Wörterbücher?
    «Hergeleitet aus dem Lateinischen, von
ad
(zu) und
plumbum
(Blei). Bezeichnet die Sicherheit im Auftreten einer Person, ihre Standfestigkeit und Geradlinigkeit, wie sie das Senkblei darstellt, auch die Forschheit, mit der sie ihr Recht geltend macht.»
    In meinem Leben, auf diesem langen Weg, der nun zu Ende geht und auf dem ich, zum Guten oder zum Schlechten, einer Menge Mitmenschen aller Rassen, Geschlechter und Lebensverhältnisse begegnet bin, habe ich niemals jemanden getroffen, der so viel Aplomb besessen hätte wie mein Bruder.
    Dazu fällt mir eine kleine Geschichte ein, die nicht ohne Folgen für die große Geschichte der Entdeckungsfahrten war. Sie beginnt in Florenz im Jahre 1473. Immer mit der Ruhe, Las Casas, immermit der Ruhe. Zügelt Eure Ungeduld! Geschichten sind von derselben Art wie Flüsse oder Menschen: Will man die Ursprünge kennen, muss man sich die Zeit nehmen, ihren Lauf zurückzugehen. Die Ungeduldigen, die sich nicht auf diese Reise stromaufwärts begeben, werden die Zwillingsnatur von Erzählungen und fließenden Gewässern nie und nimmer verstehen. Dort in Florenz begegnete ein portugiesischer Kanoniker namens Fernão Martins einer Person, deren Wissen ebenso beachtlich wie ihr Wesen zurückhaltend war. Paolo del Pozzo Toscanelli widmete sich drei Disziplinen: der Medizin, die schlecht bezahlt war; dem Gewürzhandel, der einträglicher war; und der Kosmographie, die gar nichts einbrachte, aber durch den Reigen der Sterne alles erklären konnte.
    Dieser Mann, zur Sesshaftigkeit gezwungen, sehnte sich danach zu reisen. Er unterhielt sich deshalb mit großem Vergnügen mit Martins, der aus der Heimat der Seefahrer stammte. Toscanelli erläuterte ihm seine Sicht der Dinge: Die Portugiesen interessierten sich zu Unrecht nur für den Osten. Wenn sie, statt die endlose Küste Afrikas entlangzufahren, nach Westen segelten, würden sie Indien schneller und bequemer erreichen. Er zeigte Karten und Berechnungen. Martins kehrte aufgewühlt nach Portugal zurück. Er informierte Prinz Johann, den künftigen König, der für die Entdeckungsreisen zuständig war. Dieser bat den Florentiner um einen Bericht. Toscanelli antwortete ihm am 25. Juni 1474:
    So habe ich Seiner Majestät eine von mir selbst gezeichnete Karte geschickt, auf der die Küsten Eures Landes, die Inseln, von denen aus Ihr Eure Fahrt nach dem Westen ohne jede Kursänderung antreten könnt, eingezeichnet sind. Auf dieser Karte werdet Ihr die Länder finden, zu denen Ihr gelangen werdet, mit den genauen Angaben der Entfernungen, die Ihr sowohl dem Pol als auch dem Äquator gegenüber einhalten müsst. Aufgrund dieser Karte werdet Ihr auch die Seemeilen errechnen können, die Ihrzurückzulegen haben werdet, um Gegenden zu erreichen, die so überaus reich an Gewürzen und Edelsteinen sind. Ihr dürft Euch darüber nicht wundern, wenn

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