Cristóbal
dazu!»
So begannen zur gleichen Zeit meine Freundschaft mit Ze Miguel Júdice, dem Advokaten des Mangels, und die Behandlung meiner krankhaften Schüchternheit.
Andrea, unser Meister, war ein rastloser Mensch. Er war der festen Überzeugung, die vielleicht vom zu lange währenden Anblick des Meeres herrührte, dass Dauerhaftigkeit nicht zu dieser Welt gehörte: Seiner Auffassung nach war alles stets im Wandel oder würde sich eines Tages wandeln, und in der Regel zum Schlechteren. Die Ruhe der See habe nur einen Zweck: Sie kündige den Sturm an! Eine gute Gesundheit sei das Vorzimmer zur Krankheit. Und der Wohlstand, der in seiner Kartenwerkstatt herrsche, sei das deutliche Vorzeichen seines unausweichlichen und baldigen Ruins. Bald würde Portugals Begeisterung für Entdeckungsfahrten nachlassen. So plötzlich, wie sie aufgekommen war. Eines Morgens würde es den Seemännern wie aus heiterem Himmel einfallen: Warum so viele Leiden auf sich nehmen, um ferne Gegenden auszukundschaften, wenn Gott mir ein Land gegeben hat, das behaglicher ist als jedes andere? Sie würden also nicht mehr anheuern. Wozu nutzten den Kapitänen dann noch unsere Karten, wenn sie im Hafen festsäßen?
Weit davon entfernt, ihn umzuwerfen, nährte diese Philosophie der Unbeständigkeit Andreas unerschöpfliche Energie und gab ihm jene fröhliche Fieberhaftigkeit, die ich bei manchen Menschen mitten in der größten Katastrophe erlebt habe. Heiterstellte er sich dem Zwang, fortwährend neue Maßnahmen gegen die Bedrohungen zu finden, die er sich ausdachte.
Aus seiner Besorgnis war ein Dutzend Betätigungsfelder entstanden, die keinerlei Bezug zu Seekarten hatten: ein Lederhandel, ein Kräutergarten, ein Sandalengeschäft… Regelmäßig suchte er sie der Reihe nach auf und kam stets beruhigt zurück:
«Wie sich die Welt auch entwickeln mag, ich werde immer etwas haben, was mich ernährt, wenn ich alt bin.»
Ich hegte daher keinen Zweifel, als ich mich mit Ze Miguel zu unserer Werkstatt aufmachte. Das Vorhaben, das dieser mir erläutert hatte, konnte meinen Meister nur verlocken. Gibt es eine edlere Absicht als die, Frauen zu Hilfe zu eilen, die wegen der Entdeckungsreisen ohne Ehemänner dastanden?
Viele von ihnen hätten um nichts auf der Welt ihren Stand der Ungewissheit aufgegeben. Rasch hatten sie gefunden, was sie für ihre Trauer entschädigte: Sie ersetzten den verschollenen Mann als Hausvorstand, genossen die neuen Zuständigkeiten und kosteten jeden Tag mehr von der Freiheit des Alleinseins.
Doch einige wollten unbedingt Witwe werden. Aus allen möglichen Gründen, am häufigsten aus dem dringenden Wunsch heraus, sich mit einem neuen Mann zu verbinden. Sie trieben die Sache aber auch um des Wortes selbst willen voran:
Witwe.
Lieber als alles andere wollten sie Witwe genannt werden oder sich selbst so nennen, denn es gibt kein anderes Wort zur Bezeichnung jener Frauen, deren Mann seit Jahrzehnten nicht zurückgekehrt ist, der also nirgendwo ist, weder im Leben noch im Tod. Doch das Gesetz von Lissabon war streng: Um zur Witwe erklärt zu werden, musste man siebzig Jahre alt werden.
Es sei denn, man erklärte den Gatten zwischenzeitlich, gestützt auf Beweise, für tot.
Und hier griff Ze Miguel ein: Sein Geschäft war es, Witwen zu machen. Er brachte alle notwendigen Beweise zusammen, die echten oder – meistens – die erfundenen, um das endgültige Verschwinden eines Ehemanns nachzuweisen. Dabei hatte er erkannt, dass ein ehrlicher Kartograph zur Erstellung seiner Kartenalles sammeln muss, was er von Seefahrern in Erfahrung bringen kann. Auf diese Weise erwirbt er eine unglaubliche Menge von Kenntnissen über die glücklichen und vor allem die unglücklichen Ereignisse der Seefahrt. Ein Schatz, aus dem Ze Miguel für die Zusammenstellung der Akten für seine Kundinnen nur zu schöpfen brauchte.
Wie vorhergesehen nahm Meister Andrea den Vorschlag voller Enthusiasmus auf.
«Kinder! Gerade hat man uns ein neues Gewerbe angeboten! Wer will etwas zu der ach so nützlichen Mission dieses ehrwürdigen Advokaten beisteuern?»
Meine Kameraden zuckten mit den Schultern. Diese notarielle Betätigung war ihrer nicht würdig. Ein Kartograph ist ein Kartograph, er bleibt es sein ganzes Leben lang und hat nie eine andere Mission als den Dienst an den Entdeckungsreisen, mögen die Frauen weinen, soviel sie wollen…
Meister Andrea und Ze Miguel wechselten bedauernde Blicke, als ich die Hand hob.
«Ich will es versuchen.»
Dieser
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