CROMM - Das Dorf findet dich
sehen.
»Hallo?«, rief Franka leise. Immer noch wollte sie nicht schreien, auch wenn ihr danach war. »Wir brauchen Hilfe! Ist hier jemand?« Keine Antwort.
»Hier, guck dir den mal an«, sagte Madlen und deutete auf eines der Wandgemälde. »Der hat sechs Finger. Wie kann denn so was passieren?«
Franka warf einen Blick auf den Mann, der in einer Hand eine Kerze hielt und die Hand hatte tatsächlich sechs Finger. Das war in der Tat seltsam, aber nicht so verrückt, dass sie sich lange Gedanken dazu machen wollte. Ihr Fokus lag immer noch auf Remo und sie hoffte, dass Martin gleich mit einem netten älteren Herrn mit Glatze oder weißem Haar zurückkehrte, der freundlich lächelte und ihnen weiterhalf, der sinnvolle Erklärungen lieferte, der den Spuk beendete. Aber Martin ließ auf sich warten. Madlen schaute sich auch die anderen Wandgemälde an und Franka wurde langsam ungeduldig. Wenn kein Pfarrer hier war, dann wollte sie jetzt wieder hinaus und sich mit den anderen kurzschließen. Sie wollte vorankommen und keine Besichtigungstour veranstalten.
»Guck doch mal, das sind überhaupt keine üblichen Heiligenfiguren. Das muss eine ganz andere ...«
»Mir egal«, unterbrach Franka Madlens Ausführungen. »Ich finde, wir sollten rausgehen. Das bringt nichts. Wo ist Martin überhaupt?«
»Keine Ahnung, guck doch nach«, sagte Madlen. Es klang etwas beleidigt und Franka tat es schon wieder leid, dass sie Madlen ins Wort gefallen war. Sie warf einen Blick auf die Wandgemälde und musste Madlen recht geben. Man sah den Unterschied sofort. Auch wenn man keine Ahnung von Kirchen und deren Ausschmückung hatte, das hier war nicht das, was man kannte. Ganz und gar nicht.
Erst waren die Geräusche. Das Schaben und Knirschen unter ihr. Das Blätterrascheln. Dann war der Schmerz. Ihre Jacke war an ihrem Rücken hochgerutscht und ihre nackte Haut wurde von kleinen Steinen und Ästen gekratzt. Etwas zog an ihren Haaren, ganz leicht, dass es nicht weh tat. Ihr Schädel brummte. Auch an ihrem Hinterkopf kratzten die Steine und Äste, anheben konnte sie ihn nicht. Alles so schwer. Ihr Körper rutschte über den Boden, die Hände lagen auf ihrem Bauch und als sie sie anhob, konnte sie ihre Arme nicht auseinandernehmen. Dann spürte sie das Seil, das sich fest an ihren Gelenken rieb. Ihre Beine waren angehoben und an den Knöcheln ein fester Griff. Erst als Larissa die Augen öffnete, langsam und träge das Sonnenlicht durch die Baumkronen wahrnahm, wurde ihr bewusst, dass jemand sie hinter sich her schleifte wie einen schweren Sack.
Um nach vorne zu blicken, musste sie ihre Augen nach unten richten, ihr Kopf war noch immer zu schwer und sie fühlte sich schwach, zu benommen, um einen richtigen Versuch zu unternehmen, sich zu befreien. Sie sah nur den Rücken und die Beine der Gestalt, die sie zog. Ein leichtes Keuchen hörte sie und sie erschrak, als sie feststellte, dass neben ihr noch eine weitere Person ging, die mit jedem Schritt durch Blätter raschelte. Knirschen und Schaben. Mehr war nicht in diesem Moment. Auch direkt hinter ihrem Kopf waren nun Schritte, und auch links neben ihr. Anscheinend begleitete sie eine ganze Gruppe. Und immer wieder dieses laute Atmen.
Larissa wollte etwas sagen, nicht, bitte lasst mich los , aber ihre Stimme versagte den Dienst. Alles versagte seinen Dienst und sie fühlte sich wie der Sack, den der Mann zog. Aber ein Gutes hatte diese Benommenheit. Sie spürte keine Angst, keine Panik in sich aufkommen, nur Schmerz und Bewegung. Noch , dachte sie, noch habe ich keine Angst . Vielleicht ist das alles nur ein Trick, vielleicht hat das was mit dem Horror House zu tun. Hatten sie es nicht gefunden? Und vielleicht waren das ihre Freunde, die sie da begleiteten. Ein böser Streich zu Halloween. Das musste es sein und Larissa schloss wieder die Augen, fiel augenblicklich in dieselbe Schwärze, aus der sie nur Momente zuvor gekrochen war.
Es waren vor allem Männer, die jemand auf den Fresken verewigt hatte. Junge Männer. Die meisten hatten die Arme seitlich ausgebreitet und stellten den duldsamen, einsichtig leidenden Gesichtsausdruck eines Jesus Christus zur Schau. Aber es gab eine Gemeinsamkeit. Fast alle Bilder zeigten ein überirdisches helles Strahlen, das von der Brust der jungen Männer ausging, als würden sie eine Glühbirne als Kette um den Hals tragen. Franka vermutete, dass es so eine Art Erleuchtung anderer Art darstellen könnte. Sehr seltsam. Manch einem Mann
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