CROMM - Das Dorf findet dich
Dunkelheit, bis er sich langsam an sie gewöhnte und Umrisse einer Gestalt ausmachen konnte. Dieses wohlige Gefühl, sie zu kennen, sie begrüßen zu wollen mit seiner Herzlichkeit, wurde ersetzt durch erneute Übelkeit und ein unkontrolliertes Zittern, das seinen Körper durchfuhr. Hier wollte er nicht sein.
Fiebrig fühlte er sich. Seine Stirn war kalt und doch stand der Schweiß auf ihr und es lief ihm über die Wangen. Erst als er die Augen wieder schloss, bemerkte er, dass er weinte, dass Tränen aus ihm flossen, wie er es noch nie erlebt hatte. Ein nicht enden wollender Fluss, der sich über sein Gesicht auf seine Kleidung ergoss. Auch sein Speichel schien zu viel und er sabberte und spuckte. Rotze lief ihm aus der Nase über seine Oberlippe und er schmeckte das Salz. Er roch sich selbst, den Schweiß und das Verdorbene aus seinem Magen. Als er sich ein zweites Mal übergab, lautstark, ergriff ihn wieder dieses Zittern und ihm wurde eiskalt. Er hustete und seine Kehle brannte. Seine Brust bündelte plötzlich all seinen Schmerz und es war, als presste etwas mit aller Gewalt gegen seinen Brustkorb. Oder schlimmer noch, es war darunter. Jemand drohte, seine Lungen zu zerquetschen. Er hustete wieder und es fühlte sich an, als würde sein Inneres dabei explodieren. Jedes Wohlgefühl war erloschen.
Das Kopfsteinpflaster verursachte holpernde Geräusche, als Franka Martins Wagen folgte. Das war so laut ... wer immer sich in der Nähe aufhielt, musste die fahrenden Autos bemerken. Sie sah Madlens Silhouette auf dem Beifahrersitz und warf dann noch einen Blick in den Rückspiegel in der sinnlosen Hoffnung, Remo würde wie ein Wunder hinter ihr auf dem Kirchplatz auftauchen und winken. Es gab nichts, was sie sich in diesem Moment mehr wünschte. Aber natürlich war da niemand. Dieser verdammte Dorfplatz lag menschenleer in der Nachmittagssonne und Franka verlor ihn aus den Augen, während sie die Straße hochbrauste. Martin legte angesichts des Straßenbelags ein ordentliches Tempo vor. Die Häuser rauschten an ihnen vorüber und Franka versuchte, rechts und links alles im Auge zu behalten, um Remo nicht zu verpassen. Die Rücklichter des BMW leuchteten auf und Franka stieg reflexartig auf die Bremse.
Martins Auto stand vor einer Wand und Franka musste erst ein paar Sekunden nachdenken, bevor sie begriff, was sie sah. Ja, dies war der Weg nach draußen. Aber jetzt versperrte eine massive Holzwand die Straße. Martin war ausgestiegen und besah sich das Hindernis. Franka zog die Handbremse an und stieg ebenfalls aus.
»Was geht denn hier ab?« Martin drehte sich zu Franka um. »Das ist ein verdammtes Rolltor!«
»Kann man das nicht einfach wieder aufschieben?«, fragte Madlen.
Martin trat wieder an die Holzwand heran. Er untersuchte sie einen Moment lang, dann fluchte er. Franka schaute sich um. Hier war niemand zu sehen. Und zu beiden Seiten des Tores zog sich eine gut fünf Meter hohe Mauer hinter den Häusern entlang bis ins Unterholz. Das Tor – oder was es war – schloss sich nahtlos daran an.
»Warum machen die das?« Madlen stand plötzlich neben ihr. Sie sah bleich aus und ihre Stimme klang dünn. Franka sah an ihrem Gesicht, was sie wollte. Madlen wünschte sich eine Entschärfung der Situation. Sie wollte etwas Tröstliches hören, eine Erklärung, mit der man gut leben konnte.
»Vielleicht gehört das zur Horror House -Nummer«, murmelte Franka.
»Was?«
»Keine Ahnung. Aber ich finde, es reicht.« Franka öffnete die Tür ihres Autos und wühlte nach ihrem Telefon. »Ich rufe jetzt die Polizei. Das ist doch nicht normal, was hier läuft.«
»Martin! Franka ruft die Polizei«, gab Madlen die Information weiter.
»Von mir aus! Ich hätte die sowieso angezeigt. Freiheitsberaubung ist das!« Martin schrie die letzten Worte.
»Sei leise!«, mahnte Madlen, während Franka die 110 wählte.
»Warum? Warum soll ich leise sein? Ich kann so laut schreien wie ich will, verdammt!« Martin trat gegen das Tor. Franka lauschte dem Freizeichen, dann meldete sich eine ruhige Stimme.
»Hallo!«, rief Franka, ohne den Beamten am anderen Ende ausreden zu lassen. »Sie müssen uns helfen! Wir sind hier in einem Dorf an der Straße nach ... äh, hey, wie heißt das hier?«
Madlen zuckte die Achseln. Franka umklammerte den Hörer.
»Jetzt beruhigen Sie sich und sagen Sie mir, was genau passiert ist«, sagte die Männerstimme.
»Wir sind hier eingesperrt! Ein paar unserer Mitreisenden sind verschwunden,
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