CROMM - Das Dorf findet dich
Mann, »ich kann fast nichts sehen. Meine Augen sind zugeschwollen.«
Da erinnerte sich Jakob an die Kirchenmauer, wo er Larissa zum letzten Mal gesehen hatte. Zum letzten Mal . Nein, das konnte nicht sein. Ein leichter Schmerz am Hinterkopf, der von den anderen Vorgängen in seinem Körper verdrängt worden war, erinnerte ihn an den Schlag. Jemand hatte ihnen aufgelauert. Die Dorfleute. Sie hatten sie niedergeschlagen. Sie beide.
»Wo sind sie?«, fragte er.
»Wieder weg. Sie haben dich gebracht, dann ...«
Plötzlich hustete der Mann und es klang ebenso nach Schmerzen wie bei Jakob selbst. Was zum Teufel hatten sie mit ihm gemacht?
»... dann sind sie wieder weg. Ich konnte sie nicht sehen, ich ...«
Der Mann hustete wieder und auch Jakob verspürte den Drang. Stattdessen spuckte er und traf seine Jeans.
»Alles okay?«
»Nein, mein Kopf. Dieser Husten verstärkt ...«
Es dauerte noch eine Weile, bis der Mann sich eingekriegt hatte, dann hauchte er »okay«, mehr zu sich selbst als zu Jakob.
»Wie heißt du?«, fragte der Mann schließlich. Wenn seine Stimme schon vorher belegt und verkrampft geklungen hatte, jetzt klang sie so gepresst, als würde er von irgendetwas zerdrückt werden.
»Jakob. Und du?«
»Remo.«
Verdammte Scheiße! Warum war er nicht gleich darauf gekommen? Der verschwundene Freund von Franka. Hier war ein Mann gefesselt in einem Verlies. Jakobs Gehirn arbeitete nicht mehr richtig, seit sein Körper so gegen ihn rebellierte. Er wusste gar nicht mehr, ob er während des Gesprächs aufgehört hatte zu zittern oder ob seine Lunge kurzzeitig nicht gebrannt hatte. Jetzt, wo er sich wieder darauf konzentrierte, war alles da. Er stieß einen Laut aus, der sein Gegenüber zu erschrecken schien.
»Alles okay«, fragte Remo ängstlich.
Jakob lachte erschöpft.
»Ja, klar. Du bist also Remo?«
»Ja.«
»Wir haben dich gesucht, Mann. Franka sucht dich.«
»Ihr habt sie gesehen? Ist sie okay? Geht es ihr gut? Sie muss sich Sorgen machen. Ich mache mir Sorgen. Ich ...« Wieder unterbrach ihn ein Husten, der zum Glück schnell vorbei ging.
Jakob wollte sagen, beim letzten Mal ging es ihr noch gut, abgesehen von ihren Sorgen um Remo. Körperlich zumindest unversehrt. Aber ob es jetzt zutraf, wusste er nicht. Sie hatten ihn und Larissa niedergeschlagen. Und Larissa war nicht hier. Wenn ihr irgendetwas zugestoßen war, dann war Franka ebenso dran. Und Madlen, was war mit ihr? Und Martin? Und Sarah?
»Ich weiß es nicht«, antwortete er, »alles ging plötzlich so schnell. Sie haben ...«
»Schhhh...«, zischte Remo plötzlich, »ich glaube, ich höre sie wieder.«
Jakob schaute nach rechts, wo er den Eingang vermutete. Links von ihm war nichts als Dunkelheit, sodass er auch nicht ausmachen konnte, wie groß der Raum eigentlich war, in dem sie sich befanden. Aber von rechts kam die schwache Lichtquelle, deren Ursprung er nicht ausmachen konnte. Und die Gestalt konnte er nur darum erkennen. Den jungen Mann, der anscheinend kurze Haare trug und ähnliche Kleidung wie er selbst. Rechts befanden sich wohl Eisenstäbe, die den Kellerraum zu einer Art Zelle werden ließen. Zumindest hoben sich senkrecht verlaufende Linien deutlich von dem Hintergrund ab. Und während er in diese Richtung spähte und versuchte, seine Leiden zu ignorieren, wurde das Licht stärker, bis er deutlich die Gitter erkennen konnte, Eisenstäbe, die vom Boden bis zur Decke reichten, ein Schloss in der Mitte für die Tür. Er blickte zu seinem Mitgefangenen, Remo, der sich ebenfalls zum Ausgang gewendet hatte. Seine Augen waren geschwollen und er blinzelte bemüht.
Schritte waren zu hören, mehrere, von mehr als zwei Personen zumindest, und ein schleifendes Geräusch, als würde ein Sack über den Boden gezogen . Als das Licht noch intensiver wurde, erkannte Jakob hinter der Zellentür einen Gang aus Stein. Er blickte sich in der Zelle um. Mittlerweile war auch hier ausreichend Licht, sodass er feststellte, die Wände und der Boden des Raums waren aus demselben Stein wie der Gang.
Und dann waren sie da. Ganz plötzlich. Als wären sie aus dem Nichts erschienen, dabei waren sie nur um eine Ecke geschritten.
Ein Mann, einer von diesen Bauern an der Kirchmauer, ging voran und hatte eine Lampe in der Hand. Ihm folgten zwei weitere Männer, die eine leblose Gestalt in ihrer Mitte festhielten und mitschleiften. Martin.
Der Mann mit der Lampe hatte einen Schlüsselbund in der Hand, wählte den richtigen Schlüssel und öffnete
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