Cromwell, Bernard
und ich ihm so nahe bin, dass ich seinen Schmerz fühlen kann.«
Sie zuckte zurück, als Saban ihre Wange berührte. Es gab Zeiten, da spürte er
deutlich, wie sie sich innerlich von ihm entfernte, mit all ihren Gedanken und
Empfindungen auf Erek konzentriert. Oft saß sie auf ihrem Stein am Fluss, die
Hände zu beiden Seiten ausgestreckt, und behauptete, ihrem Gott zuzuhören;
Saban, der keine Stimmen in seinem Kopf vernahm, war eifersüchtig.
»Es wird wieder Frühling werden«, tröstete er. »Wie
immer«, erwiderte Aurenna und wandte sich von ihm ab.
Saban und Mereth bauten weitere Boote. Sie fanden die
letzten großen Eichen in den nahe gelegenen Wäldern, und diese Stämme reichten
gerade, um noch fünf Flöße daraus zu zimmern. Wenn Lewydd zurückkehrte und
seine Boote mit zurückbrachte, würden sie insgesamt fünfzehn haben — mit
fünfzehn Fahrzeugen könnten sämtliche Steine auf vier Reisen nach Osten
gebracht werden. Aber wenn Lewydd nicht mehr zurückkehrte, dann würde es nicht
gelingen, den Tempel nach Ratharryn zu versetzen. Es verging Tag auf Tag,
während der Winter das Land fest in seiner Gewalt hatte, ohne dass irgendeine
Nachricht oder ein Lebenszeichen von Lewydd eintraf.
Lewydds lange Abwesenheit begann das Volk von Sarmennyn zu
beunruhigen. Gerüchte breiteten sich aus.
Einem dieser Gerüchte zufolge waren die zehn Boote
gekentert und ihre Besatzungen ertrunken, in die Tiefe gezogen von den schweren
Steinen — weil Erek nicht wollte, dass der Tempel versetzt wurde. Andere Leute
behaupteten, dass Lewydd und seine Männer von den Kriegern von Drewenna
abgeschlachtet worden waren, die beschlossen hatten, die Steine für sich zu
behalten — statt die Schlitten zur Verfügung zu stellen, wie es ihr neuer
Clanführer nach dem Massaker von Sul versprochen hatte. Die Gerüchte nährten
sich aus sich selber, und zum ersten Mal, seit Aurenna unbeschadet dem Feuer
entronnen war, erhoben sich kritische Stimmen, die Camaban und Kereval Vorwürfe
machten. Haragg versuchte den Stamm davon zu überzeugen, dass Camabans und
Kerevals Entscheidung richtig gewesen war und dass alles gut werden würde; aber
mehr und mehr Leute murrten, dass der Tempel niemals hätte weggegeben werden
dürfen. Mehr als hundert der Jüngeren des Stammes waren mit den Booten
hinausgefahren, und die Stammesmitglieder befürchteten, sie würden diese
Männer niemals Wiedersehen. Sie hatten Witwen und Waisen zurückgelassen, es
gab in Sarmennyn nur noch gefährlich wenige Speerkämpfer, und da so viele der
Vermissten Fischer waren, bedeutete das, dass in diesem Winter Hunger in Sarmennyn
herrschen würde — das alles war die Schuld derjenigen, die gesagt hatten, der
Tempel gehörte nach Ratharryn. Scathel, Haragg und Kereval versuchten, dem Zorn
der Stammesmitglieder Einhalt zu gebieten, und rieten den Leuten zu Geduld;
aber die Gerüchte machten weiterhin die Runde und führten schließlich eines
Winterabends zu einem regelrechten Massenaufstand, als eine große Menge
zorniger Leute Kerevals Siedlung verließ und unter brennenden Fackeln den Fluss
überquerte, mit Kurs auf Aurennas Siedlung.
Scathel nahm ein Boot flussabwärts, um Saban zu warnen,
dass Männer im Anmarsch waren, die die Siedlung niederbrennen und die neuen
Boote zerstören wollten. Kereval hatte versucht, sie aufzuhalten, berichtete
der Hohepriester — aber Kereval war kränklich, und seine Autorität ließ zu
wünschen übrig.
Wütend spuckte Haragg aus. »Wer führt sie an?«, fragte er
seinen Bruder. Scathel nannte einige der Männer, die sich der Siedlung
näherten, und Haragg zitterte vor Zorn. »Sie sind nichts als Würmer«, sagte er
verächtlich und griff nach seinem Speer.
»Lass mich mit ihnen reden«, bat Saban. »Reden werden sie
nicht aufhalten«, gab Haragg zurück, als er den Pfad hinuntermarschierte, den
Speer in der Hand. Cagan begleitete ihn. Saban wies Mereth an, die Frauen der
Siedlung in den Wald zu bringen; dann rannte er hinter Haragg her, und er holte
den Hünen genau in dem Moment ein, als er der fackeltragenden Menschenmenge auf
dem schmalen Waldweg entgegentrat. Haragg hob drohend seinen Speer. »Ihr
kämpft gegen Erek«, schrie er, aber bevor er noch ein weiteres Wort sagen
konnte, sauste ein Pfeil auf ihn zu und traf ihn in die Brust; Haragg taumelte
rückwärts gegen eine Eiche. Cagan brüllte vor Verzweiflung, riss den Speer
seines Vaters an sich und ging wie ein wilder Stier gegen die Leute vor. Er
wurde mit weiteren
Weitere Kostenlose Bücher