Cromwell, Bernard
groß erscheinen, um
Teil eines Gebäudes gewesen zu sein; und wir wissen nicht das Geringste
darüber, was den Anstoß zu ihrer Aufstellung gegeben haben könnte oder warum
diese spezielle Stelle gewählt wurde. Ebenso wenig wissen wir, wie lange sie
standen. Fünftausend Jahre später, ungefähr um 3000 v. Chr., wurde mit dem Bau
des henge -Typus begonnen, den wir kennen.
Zuerst war es nur ein Ringgraben mit einem hohen Wall im Inneren und einem
flacheren Wall außen herum; innerhalb des höheren Ringwalls befand sich ein
Kreis von Löchern, die nach ihrem Entdecker, den im siebzehnten Jahrhundert
lebenden Altertumsforscher John Aubrey, benannt wurden. Die Aubrey-Löcher
gehören ebenfalls zu den Rätseln von Stonehenge. Es gibt unterschiedliche
Ansichten darüber, ob in diesen Löchern irgendwelche Pfeiler gestanden haben;
aber falls dem so war, dann existieren zumindest schon lange keine Spuren mehr
davon. Noch rätselhafter ist, dass die fünfundsechzig Löcher anscheinend sehr
bald, nachdem sie ausgehoben worden waren, wieder gefüllt wurden. Einige der
Löcher enthalten die Überreste von Feuerbestattungen, aber nicht alle, und wir
haben wirklich nur eine sehr vage Vorstellung von ihrem Zweck. Alles in allem
sollen diese Aubrey-Löcher jene populäre Theorie angeregt haben, dass
Stonehenge ein »Eklipsen-Prophet« war; es stimmt zwar, dass man die Jahre der
Sonnen- oder Mondfinsternisse durch ein kompliziertes Herumschieben von
Markierungen um die fünfundsechzig Löcher vorhersagen kann — aber diese
Hypothese erscheint doch mehr als unwahrscheinlich. Wenn es funktionierte,
warum wurden die Löcher dann wieder aufgegeben? Und warum wurde das System
nicht bei anderen henges kopiert? Sehr bald, nachdem die
Ringwälle und der Ringgraben angelegt waren, erschienen die ersten Holzpfähle
in ihrem Zentrum und am nordöstlichen Eingang, der nach der Stelle zu liegt, wo
die Mittsommersonne aufgeht. Dieser henge aus Holzpfeilern,
ähnlich denjenigen in der Nähe von Durrington Walls oder dem erst kürzlich
entdeckten Holztempel, der bei Stanton Drew stand, überdauerte mehrere hundert
Jahre — obwohl einige Archäologen glauben, dass der Tempel irgendwann gegen
Mitte oder Ende des dritten Jahrtausends v. Chr. nicht mehr benutzt wurde.
Dann, vielleicht zweihundert Jahre später, wurde er wieder hergestellt und
weiter ausgebaut. Die Station Stones und ein paar andere Steine am Haupteingang
wurden zuerst aufgestellt. Höchstwahrscheinlich befand sich auch der Heel Stone
(der Sonnenstein bzw. Altarstein) unter diesen zuerst aufgerichteten
Granitblöcken, und er steht noch immer, wenn auch etwas schief. Besucher
schenken ihm meist keine sonderliche Beachtung, obwohl er wahrscheinlich der
Hauptpfeiler für den gesamten Tempel war. Für eine kurze Zeitspanne war der
Tempel nur eine simple Anordnung von einigen aufrecht stehenden Steinen, nicht
bemerkenswerter als viele andere Tempel dieser Art - aber dann geschah etwas
Außergewöhnliches. Blausteine (so genannt wegen ihrer leicht bläulich grünen
Färbung) wurden aus dem fernen West-Wales geholt und in einem Doppelkreis
aufgestellt, und höchstwahrscheinlich trugen einige dieser Steine noch
Decksteine.
Die Blausteine sind ein weiteres Rätsel. Auf Salisbury
Plain gab es keine geeigneten Felsbrocken oder Findlinge - deshalb mussten
alle Steine des Monuments aus weit entlegenen Gebieten geholt werden - aber
warum ausgerechnet von den Preseli Mountains in Pembrokeshire? In den Hügeln
in der Nähe von Avebury, zwanzig Meilen weiter nördlich, gab es einen fast
unerschöpflichen Vorrat an Findlingen, dennoch schleppten die Erbauer von
Stonehenge die Blausteine hundertfünfunddreißig Meilen weit (tatsächlich sogar
noch sehr viel weiter - denn sie waren durch die topographische Beschaffenheit
der Landschaft gezwungen, einen Umweg zu ihrem Bauplatz zu machen). Es war ein
unglaublicher Kraftakt und eine großartige Leistung, obwohl einige Theoretiker
sie abzutun versuchen, indem sie behaupten, dass die Blausteine durch
Gletscherbewegungen während einer Eiszeit auf Salisbury Plain abgelagert worden
seien. Es ist eine bequeme Theorie, aber sie kann nicht stimmen; denn sonst
hätten wir noch andere solcher Blaustein-»Irrläufer« irgendwo anders auf der
Ebene oder in ihrer Nachbarschaft finden müssen, was nicht der Fall ist. Die
einfachere Erklärung, wie erstaunlich sie auch sein mag, ist, das die
Tempelbauer ganz einfach genau diese Steine haben wollten und sie deshalb
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