Cromwell, Bernard
leben möchte.«
Hengall zögerte. Er hätte die Keule am liebsten niedersausen
lassen und die Erde mit Blut bespritzt; aber er war ein gerechter Mann, also
beherrschte er seinen Zorn und ließ die Waffe sinken. Jegar hatte seine Fragen
offen beantwortet, und obwohl Hengall keine Sympathie für den jungen Mann
hegte, half er ihm dennoch auf die Füße, umarmte ihn und schenkte ihm ein
kleines Bronzemesser als Belohnung für seine Treue.
Aber Lengar hatte ihn verraten und war zu den
Fremdländischen gegangen. Deshalb brannte Hengall die Hütte seines Sohnes
nieder und zertrümmerte alle seine Töpfe. Er tötete Lengars Mutter, die seine,
Hengalls, erste Ehefrau war, und befahl Gilan, den Kindstöter zu holen und
einen Jungen zu erschlagen, der allgemein als Lengars Sohn galt. Die Mutter des
Jungen schrie entsetzt, bat verzweifelt um Gnade, aber der schwere Auerochsenknochen
sauste herab, und der Junge starb. »Er hat nie gelebt«, entschied Hengall über
Lengar. »Er ist nicht mehr!«
Der nächste Tag war der Vortag des Sommersonnenwendfests,
und der Stamm würde nach Cathallo wandern. Um Frieden zu schließen. Und um
Sannas gegenüberzutreten.
Im Morgengrauen des Tages, an dem der Stamm nach Norden zu
marschieren gedachte, brachte Hengall Saban ein Hirschledergewand, eine
Halskette aus Wildschweinhauern sowie ein Messer mit einer Feuersteinklinge
und einem hölzernen Heft, das er im Gürtel tragen sollte. »Du bist mein Sohn«,
eröffnete Hengall ihm, »mein einziger. Deshalb musst du wie ein Clanführerssohn
aussehen. Binde dein Haar zusammen. Steh aufrecht!« Flüchtig nickte er Sabans
Mutter zu, seiner dritten Ehefrau, die er seit langem nicht mehr in seine
Hütte gerufen hatte; dann ging er hinaus, um nach der weißen Opferkuh zu sehen,
die nach Cathallo getrieben werden sollte.
Selbst Camaban nahm an dem Unternehmen teil. Hengall hatte
den Jungen nicht dabeihaben wollen, aber Gilan hatte beharrlich erklärt, dass
Sannas Camaban mit eigenen Augen sehen wollte. Also hatte Galeth den Krüppel
aus seinem Unterschlupf in der Nähe des Alten Tempels geholt, und jetzt hinkte
Camaban ein paar Schritte hinter Saban, Galeth und Galeth' schwangerer Frau
Lidda her. Sie wanderten in nördlicher Richtung an den Hügeln oberhalb des
Flusstales entlang und brauchten den ganzen Vormittag, um die Grenze dieses
hoch gelegenen Gebietes zu erreichen, was bedeutete, dass sie jetzt die Hälfte
des Weges nach Cathallo hinter sich hatten. Für die Mehrzahl der Leute, die auf
der Anhöhe standen und auf die Wälder und Marschen vor ihnen blickten, war das
die längste Strecke, die sie sich jemals von ihrer heimischen Siedlung entfernt
hatten.
Der Pfad fiel jetzt steil in dichte Wälder ab, gesprenkelt
mit kleinen Feldern. Dies war das Gebiet von Maden, ein Landstrich mit
fruchtbarer Erde, hohen Bäumen und weitläufigen Mooren.
Die Männer von Hengalls Stamm scharten sich dicht um ihre
Frauen, als sie den Wald betraten; den kleinen Jungen drückten sie an Stöcken
festgebundene Strohbündel in die Hand, und das Stroh wurde mit Hilfe der
glühenden Kohlen in Brand gesteckt, die die Frauen in durchlöcherten Tongefäßen
transportierten. Dann rannten die Jungen in alle Richtungen davon, während sie
ihre brennenden Strohfackeln schwenkten und laut schrien, um die bösen Geister
zu vertreiben, die sonst über die Frauen herfallen und sie schwängern könnten.
Die Priester sangen, die Frauen hielten Talismane umklammert,
und die Männer schlugen mit ihren Speerschäften gegen die Bäume. Als der Stamm
ein Gewirr kleiner Bäche in der Nähe von Maden durchquerte, waren sogar noch
mehr Lieder vonnöten, um die Geister in Schach zu halten.
Hengall marschierte an der Spitze seines Volkes, aber er
wartete am Ufer eines der breiteren Bäche, bis Saban ihn eingeholt hatte. »Wir
müssen uns unterhalten«, erklärte er seinem Sohn, dann warf er einen Blick auf
Camaban, der nur wenige Schritte hinter ihnen herhinkte. Der Junge hatte ein
anderes zerschlissenes Schafsfell gefunden, um seine alte Tunika zu ersetzen;
außerdem trug er einen grob zusammengestückelten Lederbeutel, in dem seine
wenigen Habseligkeiten, seine Knochen, die Schlangenhaut und ein paar Amulette,
verstaut waren. Er stank erbärmlich, und sein Haar war wieder verfilzt und
schmutzig. Camaban hob den Kopf, erschauerte vor seinem Vater und spuckte auf
den Pfad.
Hengall wandte sich angewidert ab und marschierte mit
Saban voraus. Nach einer Weile fragte er seinen Jüngsten,
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