Cromwell, Bernard
Tier misstrauisch. Es war vielleicht nicht die weißeste Jungkuh
in Ratharryn, aber sie war trotzdem ein wertvolles Tier mit einem fast makellosen
Fell; unter Hengalls Leuten erhob sich ärgerliches Murren, als die Priester an
dem Wert des Geschenkes zu zweifeln schienen. Endlich, nachdem sie das Tier
ausgiebig betastet und berochen hatten, erklärten sie die Kuh widerwillig als
annehmbar und zerrten sie in die Mitte des kleinen Tempels, wo ein junger
Priester, nackt bis auf ein mit Lederbändern befestigtes Hirschgeweih auf dem
Kopf, mit dem Schlachtbeil wartete. Die arme Färse, die zu ahnen schien, was
sie erwartete, sträubte sich verzweifelt und versuchte, den Männern zu
entwischen, die sie festhielten; deshalb schnitten die Priester ihr die
Beinsehnen durch, und das bewegungsunfähige Tier schrie jammervoll, als das
große Beil herabsauste.
Hengalls Leute sangen Lahannas Klagelied, als sie im
Gänsemarsch durch das nasse Blut der Färse schritten und den Priestern einen
Pfad entlang folgten, der von paarweise angeordneten Steinblöcken flankiert
war. Der Tempel mochte sie vielleicht nicht beeindruckt haben, aber die von
Steinen gesäumte Avenue verfehlte nicht ihre Wirkung; denn diese Steine waren
sehr viel größer als die Tempelblöcke, und sie erstreckten sich weit über das
offene Land. Die von Felsblöcken begrenzte Straße wand sich von dem Tempel aus
in ein Tal und beschrieb einen Bogen, bevor sie den riesigen Kreidegrabhügel
erreichte, und strebte dann nach Norden auf die Kuppe eines breiten, waldlosen
Hügels zu. Es waren so viele Steine, die den heiligen Pfad flankierten, dass
man sie unmöglich zählen konnte, und alle so groß oder sogar noch größer wie
ein Mann. Einige säulenförmige stellten Slaol dar, und jeder dieser hohen
Steinpfeiler war mit seinem Nachbarn durch einen gewaltigen rautenförmigen
Deckstein verbunden, um Lahanna zu ehren. Die Wunder von Cathallo existierten
tatsächlich, und Hengalls Leute verfielen in Schweigen, als sie den Priestern
nach Norden folgten. Sie tanzten die Anhöhe hinauf, etwas unbeholfen und
schwerfällig, weil sie müde waren - aber pflichtbewusst - als sie sich mit
schleifenden Schritten von einer Seite der Prachtstraße zur anderen bewegten
und sich im Zickzack einen Weg dort hinauf bahnten, wo sich einige Bewohner von
Cathallo versammelt hatten, um die Besucher zu empfangen. Eine Gruppe von
Kriegern, ihre Körper eingeölt und ihr Haar geflochten, stützte sich auf ihre
Speere, um die Frauen vorbeiziehen zu sehen, obwohl der Anblick von Camaban die
jungen Männer veranlasste, sich hastig die Augen zuzuhalten und auf den Boden
zu spucken, für den Fall, dass sein Klumpfuß ihnen Unglück bringen sollte.
Saban, der noch nie zuvor in Cathallo gewesen war, hatte
angenommen, dass die massiven, mit Decksteinen verbundenen Steinsäulen einen
Pfad säumten, der von der Siedlung von Cathallo zu dem kleinen Steintempel
führte, wo die Färse geopfert worden war; doch als er die Kuppe des breiten
Hügels erreichte, erkannte er plötzlich, dass der Tempel alles andere als das
Ende des heiligen Pfades darstellte, sondern lediglich seinen Anfang, und dass
die wahren Wunder von Cathallo noch vor ihnen lagen.
Die Siedlung befand sich im Westen, und das war nicht der
Ort, wohin der Pfad verlief. Stattdessen führte er in gerader Linie auf einen
hohen ringförmigen Kreidewall zu, der aus dem tiefer gelegenen Gelände aufragte.
In der Kolonne von Reisenden sprach sich die Nachricht herum, dass der weiße
Wall das Heiligtum von Cathallo umgab, und Hengalls Leute verstummten, als sie
den riesigen Wall bestaunten, der mindestens so hoch und so breit aussah wie
der Schutzring rund um Ratharryn. Der obere Rand seiner Mauer war mit Schädeln
von Tieren und Menschen gekrönt, während aus dem Inneren der hohen Umzäunung
das Dröhnen schwerer Holztrommeln drang.
Der Pfad führte nicht direkt zu dem gewaltigen Tempel,
sondern beschrieb stattdessen eine zweifache Kurve, und zwar unmittelbar
außerhalb des Eingangs zu dem Heiligtum, sodass sich die Wunder innerhalb des
hohen ringförmigen Kreidewalls den Näherkommenden erst im allerletzten Moment
enthüllen würden. Saban schlurfte im Tanzschritt um die doppelte Biegung, und
dort - plötzlich jenseits des gewaltigen Schutzwalls sichtbar - lag das
Heiligtum von Cathallo. Sabans erster Eindruck waren Steine - Steine, Steine
und noch mehr Steine; denn der große Platz innerhalb der hoch aufragenden
Kreidemauer schien mit
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