Cromwell, Bernard
bei ihr. Sie verwendete Kräuter, Pilze, Feuer, Knochen, Blut,
Tierfelle, Zauberformeln und Amulette. Unfruchtbare Frauen pflegten tagelange
Märsche auf sich zu nehmen, um ihre Hilfe zu erbitten, und jeden Morgen fand
sich eine verzweifelte Ansammlung von Kranken, Verkrüppelten, Lahmen und
Betrübten am Nordeingang des Heiligtums ein. Camaban sammelte Heilkräuter für
Sannas, pflückte Pilze und schnitt Schwämme von vermoderten Baumstämmen. Er
trocknete die Arzneien in Netzen über dem Feuer, schnitt sie klein, bereitete
Tees und Aufgüsse daraus zu und prägte sich die Namen ein, mit denen Sannas sie
bezeichnete. Er hörte zu, wenn die Leute ihre Leiden schilderten, merkte sich,
was Sannas ihnen gab, und beobachtete dann die Entwicklung der Dinge, ob sich
ihr Gesundheitszustand besserte oder verschlechterte. Viele, die kamen, klagten
über Schmerzen, einfach nur über Schmerzen, und meistens rieben sie sich dabei
die Bäuche; Sannas gab ihnen dann in Scheiben geschnittenen Pilz zu kauen oder
zwang sie, eine dickflüssige Mischung aus Arzneikräutern, Pilzen und frischem
Blut zu trinken. Fast ebenso viele klagten über Schmerzen in den Gelenken,
einen heftigen Schmerz, der sie zusammenkrümmte und es ihnen schwer machte, ein
Feld zu bestellen oder Getreide zwischen Steinen zu zermahlen; und wenn der
Schmerz ganz schlimm war und sie regelrecht lähmte, pflegte Sannas die
Leidenden zwischen zwei Feuer zu legen, nahm dann ein nagelneues
Feuersteinmesser und zog die Schneide über das schmerzende Gelenk. Sie schnitt
kreuz und quer in die Haut, so tief, dass das Blut hervorquoll; dann rieb
Camaban getrocknete Kräuter in die Wunden und legte eine weitere Schicht aus getrockneten
Kräutern auf die frischen Schnittwunden, bis das Blut gerann. Schließlich
zündete Sannas die Kräuter an, die Flammen zischten und qualmten, und die Hütte
füllte sich mit dem Geruch brennenden Fleisches.
Ein Mann wurde während jenes strengen Winters wahnsinnig,
verprügelte seine Frau, bis sie starb, und schleuderte dann sein jüngstes Kind
in das Hausfeuer; und Sannas kam zu dem Schluss, dass der Mann von einem bösen
Geist besessen war. Er wurde zu ihr gebracht, von zwei kräftigen Kriegern zu
Boden gedrückt, während Sannas einen Schnitt in seine Kopfhaut machte, das
Fleisch ablöste und mit einem kleinen Steinhammer und einer dünnen
Feuersteinklinge ein Loch in seinen Schädel schlug. Sie stemmte einen ganzen
Kreis aus der Schädeldecke heraus, dann spuckte sie auf sein Gehirn und befahl
dem bösen Wesen, herauszukommen. Der Mann überlebte die Tortur, litt jedoch
solche Qualen, dass es besser gewesen wäre, er wäre gestorben.
Camaban lernte, gebrochene Knochen zu richten, Wunden mit
Moos und Spinnweben zu füllen und die Tränke zu brauen, die Menschen in Trance
versetzten. Er brachte diese Tränke zu den Priestern von Cathallo, die ihn mit
Respekt behandelten, weil er von Sannas ausgewählt worden war. Er lernte, das
klebrige Gift herzustellen, mit dem die Krieger ihre Pfeilspitzen präparierten,
wenn sie in den riesigen Wäldern nördlich von Cathallo Jagd auf Fremdländische
machten. Das Gift bestand aus einer Mischung aus Harn, Kot und dem Saft eines
blühenden Krauts, das laut Sannas tödliche Eigenschaften besaß. Er bereitete
Sannas' Essen zu und zerstampfte es zu einer Paste, weil sie nur noch den
einen Zahn besaß und daher nicht kauen konnte. Er lernte ihre Zaubersprüche,
ihre Heilgesänge, die Namen von tausend verschiedenen Göttern, und wenn er
gerade nicht von Sannas lernte, hörte er den Händlern zu, wenn sie mit
seltsamen Geschichten von ihren langen Reisen zurückkehrten. Er hörte sich
alles aufmerksam an, versaß nichts und behielt seine Ansichten weiterhin für
sich. Diese Ansichten hatten sich nicht geändert. Die Stimmen, die in seinem
Kopf gesprochen hatten, hallten noch immer in seinem Geist nach, weckten ihn
des Nachts auf, erfüllten ihn noch immer mit Erstaunen. Er hatte die Kunst des
Heilens gelernt, wie man Menschen Angst einflößte und wie man die Welt nach den
Wünschen der Götter verdrehte, aber er blieb sich selber treu. Die Weisheit
der Welt hatte seine eigene unberührt gelassen.
Am kürzesten Tag des Winters, als Slaol am schwächsten
war und Lahanna hell auf das Heiligtum von Cathallo herabschien, um die
Steinsäulen mit einem Schimmer glitzernden kalten Lichts zu überziehen, holte
Sannas zwei Krieger in den Tempel. »Es wird Zeit«, sagte sie zu Camaban.
Die Krieger legten Camaban
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