Cromwell, Bernard
den
Tempel und äußerten höhnische Bemerkungen über die Prüflinge. Die Jäger waren
alle mit Bögen oder Speeren bewaffnet, und sie nannten die Jungen weibisch und
feige, sagten, sie würden kläglich versagen, und machten ihnen weis, dass die
Dämonen und bösen Geister und wilden Tiere des Waldes sie zerreißen würden.
Die Männer forderten die Jungen auf, die Prüfung besser
gleich aufzugeben, noch bevor sie begonnen hatte, behaupteten, dass es wenig
Zweck hätte, wenn sie versuchten, Männer zu werden, da sie doch so offensichtlich
mickrige Schwächlinge waren.
Allein der Hohepriester ignorierte den Spott und das
Hohngelächter, während er zu Slaol betete. Die kleinen Kreidebälle, die das
Leben der Jungen darstellten, lagen in der Mitte des Tempels, auf dem Grab
eines Kindes, das dem Gott bei der Weihe des Tempels geopfert worden war. Die
Bälle würden dort bis zum Ende der Prüfungen liegen bleiben, wenn diejenigen,
die ihre Mannbarkeit bewiesen hatten und in den Kreis der erwachsenen Männer
aufgenommen wurden, den Ball zerbrechen durften und die anderen, die versagt
hatten, die Kreidesymbole ihren gedemütigten Familien würden zurückgeben
müssen.
Gilan spuckte auf die Jungen, um sie zu segnen. Jeder von
ihnen durfte eine Waffe mitnehmen. Die meisten hielten Speere oder Bögen
umklammert; aber Saban hatte sich für ein selbst gemachtes Feuersteinmesser entschieden,
das er aus einem seltenen Stück heimischen Feuersteins herausgeschlagen hatte,
groß genug, um eine Klinge zu ergeben, die so lang wie seine Hand war. Er hatte
das Gestein mit Hammer und Faustkeil bearbeitet und zu einer weißen und sehr
scharfen Klinge geformt. Jagen würde er mit dem Messer nicht - denn selbst wenn
es ihm gelänge, ein Tier zu erlegen, würde er es nicht wagen, ein Feuer
anzuzünden, um das Fleisch zu garen, da der Rauch die Jäger auf seine Spur
bringen könnte. »Du könntest auch ebenso gut gar keine Waffe mitnehmen«, hatte
Galeth ihm vorgehalten; aber Saban wollte das kleine Messer, denn das Gefühl
des glatten Steins in seiner Hand spendete ihm Trost.
Jegar verhöhnte Saban vom Rand des Tempels aus. Der Jäger
hatte ein Büschel Adlerfedern an seiner Speerspitze befestigt, und weitere
Federn steckten in seinem langen Haar. »Ich hetzte meine Hunde auf dich, Saban!«,
stellte Jegar in Aussicht. Die Hunde, riesig und zottelig, geiferten hinter
ihrem Herrn. »Gib lieber gleich auf!«, schrie er. »Welche Chance hat ein
pissendes Kind wie du denn schon? Du wirst nicht mal einen Tag überleben!«
»Wir werden dich unter Schimpf und Schande in die Siedlung
zurückschleppen«, rief einer von Jegars Freunden. »Und dann kannst du das
Gewand meiner Schwester tragen und für meine Mutter Wasser holen.«
Hengall hörte die Drohungen, tat jedoch nichts, um sie zu
unterbinden. Es war nun einmal Stammesbrauch, die Prüflinge einzuschüchtern,
und wenn Saban die Feindschaft von Jegar und seinen Freunden überlebte, würde
das seinem Ruf förderlich sein. Auch konnte Hengall nichts tun, um Saban in den
Wäldern zu beschützen; denn dann würde der Stamm erklären, dass der Junge die
Prüfungen nicht ordnungsgemäß bestanden hatte. Saban musste sich wohl oder übel
allein durchschlagen, und wenn er bei dem Überlebenskampf versagte, dann
lautete der Götterspruch, er tauge nicht zum Clanführer.
Den Jungen wurde ein halber Tag Vorsprung zugestanden.
Anschließend mussten sie fünf Sommernächte hindurch in den Wäldern überleben,
wo nicht nur die Jäger des Stammes ihre Feinde sein würden, sondern auch die
Bären, die großen wilden Auerochsen, die Wölfe und die fremdländischen
Kriegerverbände, die wussten, dass die Jungen allein und schutzlos zwischen den
Bäumen umherstreiften und deshalb in die Wälder kamen auf der Suche nach
Sklaven. Die Fremdländischen würden den Jungen die Köpfe kahl rasieren, ihnen
einen Finger abhacken und sie in lebenslängliche Knechtschaft verschleppen.
Schließlich beendete Gilan seine Bittgebete und klatschte
in die Hände, um die verängstigten Jungen aus dem Tempel zu scheuchen. »Lauf
weit weg, Saban!«, kreischte Jegar. »Ich komme dir nach und werde dich
kriegen!« Seine angeleinten Hunde heulten und bellten, und Saban fürchtete
diese Tiere, denn die Götter hatten Hunden die Fähigkeit verliehen, Menschen
bis in die tiefsten Tiefen des Waldes zu verfolgen. Hunde konnten den Geist
eines Menschen aufspüren, sodass ein Hund einen Mann selbst im Stockfinstern
noch fand. Sie
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