Cromwell, Bernard
Sterne
vom Himmel vertrieb. Zuerst erschien Slaol wie ein flach gedrückter Ball, der
Feuer ausströmte und den bewaldeten Höhenzug in rote Glut hüllte; anschließend
verwandelte sich das Rot in Weiß, zu grell für die Augen, und die ersten
Lichtstrahlen des neuen Jahres fielen geradewegs auf den neuen geheiligten
Pfad, der zum Eingang des Alten Tempels führte. Saban schirmte seine Augen mit
der Hand ab und sah den Schatten der Nacht nach, die aus den Tälern wichen.
»Rechts von dir!« Gilan winkte aufgeregt. »Rechts von dir!« Er ließ Saban einen
weiteren Kreidebrocken an der Stelle niederlegen, wo die Sonne schließlich
vollständig über dem Horizont sichtbar war; dann wartete er, bis sie knapp über
Sabans Kopf stand, und ließ ihn dort, wo die Strahlen auf den Boden trafen, den
dritten Brocken platzieren. Die Stimmen der Stammesmitglieder, die die Sonne
mit 'einem Lied willkommen hießen, schallten gedämpft über die Weiden herüber.
Gilan inspizierte die Punkte, die Saban markiert hatte,
und grunzte erfreut, als er sah, dass einige der alten vermoderten
Tempelpfeiler offensichtlich mit den neuen übereinstimmten. »Wir haben gute
Arbeit geleistet«, sagte er zufrieden.
»Was machen wir als Nächstes?«, wollte Saban wissen.
Gilan wies auf den Tempeleingang. »Wir werden hier zwei
der größeren Steine als Tor aufstellen«, verkündete er, dann zeigte er dorthin,
wo Derrewyn auf dem heiligen Pfad stand, »und dort die beiden anderen, sodass
sie den Sonnenaufgang am Mittsommertag einrahmen.«
»Und die vier kleineren Steine?«, fragte Saban.
»Sie werden Lahannas Wanderungen über den Himmel
entsprechen«, erklärte der Priester und wies über das Flusstal hinweg. »Wir
werden darstellen, wo sie am weitesten im Süden erscheint«, sagte er, dann
drehte er sich um und zeigte in die entgegengesetzte Richtung, »und wo sie im
Norden wieder untergeht.« Gilans Gesicht schien in dem frühmorgendlichen Licht
förmlich zu strahlen. »Es wird ein schlichter Tempel sein«, setzte er versonnen
hinzu, »aber ein schöner. Ein sehr schöner. Eine Linie für Slaol und zwei für
Lahanna, die einen Ort markieren, wo sie sich unterhalb des Himmels treffen
können.«
»Aber sie haben sich doch entfremdet«, wandte Saban ein.
Gilan lächelte. Er war ein gütiger, freundlicher Mann,
beleibt und kahlköpfig, der Hiracs Furcht davor, die Götter zu beleidigen, nie
geteilt hatte. »Wir müssen für ein harmonisches Gleichgewicht zwischen Slaol
und Lahanna sorgen«, erklärte er. »Sie haben in Ratharryn bereits jeder einen
Tempel für sich; also, wie wird Lahanna wohl zu Mute sein, wenn wir einen
zweiten Tempel für Slaol bauen, nur für ihn allein?« Er ließ diese Frage
unbeantwortet. »Und ich denke, es war ein Fehler von uns, Slaol und Lahanna
auseinander zu halten. In Cathallo benutzen sie ein einziges Heiligtum für alle
Götter, also, warum sollten wir Slaol und Lahanna nicht auch an einem Ort
verehren?«
»Aber es ist trotzdem noch ein Tempel für Slaol?«, fragte
Saban ängstlich, als er sich daran erinnerte, wie der Sonnengott ihm bei Beginn
seiner schweren Prüfungen geholfen hatte.
»Freilich bleibt er ein Tempel für Slaol«, versicherte
Gilan ihm, »aber jetzt wird er auch eine Stätte der Verehrung für Lahanna
sein, genauso wie das Heiligtum in Cathallo.« Er lächelte. »Und bei seiner
feierlichen Einweihung werden wir dich mit Derrewyn verheiraten, als Symbol
für Slaols und Lahannas Wiedervereinigung.«
Die Sonne stand jetzt hoch genug am Himmel, um Wärme zu
spenden, als die drei ihre Schritte zur Siedlung zurücklenkten. Gilan sprach
über seine Hoffnungen, Saban hielt die Hand seiner Geliebten, der Rauch der
Sommersonnenwendfeuer löste sich auf, und in Ratharryn stand alles zum Besten.
Galeth war der Erbauer des Tempels, und Saban wurde sein
Gehilfe. Zuerst stellten sie die vier kleineren Steine auf. Galeth hatte den
genauen Standort für sie berechnet — hier genügten Beobachtungen nicht — denn
die vier Steine bildeten zwei Paare, und jedes Paar zeigte in Lahannas
Richtung. Bei ihren Wanderungen über den Himmel blieb sie Jahr für Jahr
innerhalb desselben breiten Gürtels, aber einmal in einem Menschenleben ging
sie weit in den Norden und einmal weit in den Süden. Die Pfeiler in ihrem
bereits bestehenden Tempel innerhalb der Siedlung markierten die Grenzen
dieser nördlichen und südlichen Wanderungen; wenn man eine Linie zwischen den
äußersten Punkten am Horizont zöge, wo die
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