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Cronin, Justin

Cronin, Justin

Titel: Cronin, Justin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Uebergang
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geöffnet. Amy lag quer vor ihm auf dem Boden des Kanus; wenn sie
Angst hatte, zeigte sie es nicht. Es gab nichts weiter zu tun. Die Energie, die
er den ganzen Tag über verspürt hatte, verflog, und ohne es zu wollen, schlief
er ein.
    Als er im Morgengrauen aufwachte, stand das Camp
noch. Das Feuer war doch nicht über den Fluss gesprungen, und der Wind hatte
in der Nacht gedreht und die Flammen nach Süden getrieben. Noch immer hing
dichter Rauch in der Luft, aber er sah, dass die Gefahr vorüber war. Am
Nachmittag hörten sie einen machtvoll rollenden Donner über ihren Köpfen, als
würde jemand auf einen riesigen Blechkasten schlagen, und dann regnete es die
ganze Nacht in Strömen. Er konnte ihr Glück kaum fassen.
    Am nächsten Morgen beschloss er, mit dem letzten
Rest Benzin den Berg hinunterzufahren und nach Carl und Martha zu sehen.
Diesmal würde er Amy mitnehmen; nach diesem Brand wollte er sie nie wieder aus
den Augen lassen. Er wartete bis zum Abend, und dann fuhren sie los.
    Das Feuer war dicht herangekommen - auf knapp
eine Meile an die Einfahrt des Camps. Dahinter war der Wald nur noch ein
rauchendes Trümmerfeld und der Boden kahl und verbrannt wie nach einer schrecklichen
Schlacht. Von der Straße aus sah Wolgast die Kadaver von Tieren, nicht nur von
kleinen wie Opossums und Waschbären, sondern auch von Hirschen und Antilopen
und sogar von einem Bären, der zusammengekrümmt am Fuße eines geschwärzten
Baumstumpfs lag, wo er am Boden nach einem Rest von atembarer Luft gesucht
hatte und verendet war.
    Der Laden stand noch unversehrt da. Nirgends
brannte Licht, aber natürlich war die Stromversorgung ausgefallen. Wolgast
ließ Amy im Wagen warten. Er nahm eine Taschenlampe und stieg auf die Veranda.
Die Tür war verschlossen. Er klopfte laut und rief Carls Namen, aber niemand
antwortete. Schließlich schlug er mit der Taschenlampe ein Fenster ein. Schön,
dachte er, das kann ich ja bezahlen - und dann begriff er erschrocken, wie
lächerlich dieser Gedanke war.
    Carl und Martha waren tot. Dicht beieinander wie
zwei Löffel lagen sie in Marthas Krankenhausbett, Carl an ihren Rücken
geschmiegt, einen Arm über ihre Schulter gelegt, als schliefen sie. Vielleicht
war es der Rauch gewesen, doch die Luft im Zimmer verriet, dass sie schon viel
länger tot waren. Auf dem Nachttisch stand eine halb leere Flasche Scotch, und
daneben lag eine zusammengefaltete Zeitung, beunruhigend dünn. Wolgast wandte
den Blick von den schreienden Lettern der Schlagzeile ab und steckte das Blatt
lieber in die lasche, um es später zu lesen. Einen Augenblick lang blieb er am
Fußende des Bettes mit den Toten stehen. Dann schloss er die Zimmertür, und zum
ersten Mal weinte er.
    Carls Lieferwagen parkte draußen vor dem Laden.
Wolgast schnitt ein Stück von einem Gartenschlauch ab und fuhr den Toyota
heran, um den Tankinhalt des Lieferwagens in seinen eigenen Wagen zu leiten. Er
wusste nicht, wohin sie vielleicht würden fahren müssen, die Waldbrandsaison
war noch nicht vorbei. Es war ein beinahe tödlicher Fehler gewesen, dass er
nicht vorbereitet gewesen war. Er fand einen leeren Benzinkanister in einem
Schuppen hinter dem Haus, und als der Tank des Toyota voll war, füllte er auch
diesen. Dann half Amy ihm, den Laden nach Vorräten zu durchstöbern. Er nahm so
viele Lebensmittel und Batterien und Propanflaschen mit, wie in den Toyota
passen würden, packte alles in Kartons und trug sie zum Wagen. Dann kehrte er
noch einmal in das Totenzimmer zurück, und vorsichtig und mit angehaltenem
Atem zog er die .38er aus dem Halfter an Carls Gürtel.
    In den frühen Morgenstunden, als Amy endlich
schlief, zog Wolgast die Zeitung aus seiner Jackentasche. Es war diesmal nur
eine einzige Seite, und das Datum war der 10. Juli. Das war fast einen Monat
her. Der Himmel wusste, woher Carl sie hatte; wahrscheinlich war er nach
Whiteriver hinuntergefahren, und als er dann zurückgekehrt war und gelesen
hatte, was da stand, hatte er allem ein Ende gemacht. Das Haus war voller
Medikamente; es würde ihm nicht schwergefallen sein. Wolgast hatte die Zeitung
aus Angst in die Tasche gesteckt, aber auch in der fatalistischen Gewissheit,
dass er schon wusste, was er lesen würde. Nur die Details würden ihm neu sein.
     
    CHICAGO FÄLLT
     
    »Vampirvirus« erreicht die
Ostküste - Millionen Tote.
    Quarantänegrenze wandert Richtung Osten nach
Central Ohio. Kalifornien spaltet sich von der Union ab, will sich selbst
verteidigen. Säbelrasseln aus

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