Cronin, Justin
Indien - »begrenzter« Atomschlag gegen Pakistan
angedroht.
WASHINGTON, 10. Juli - Auf Anordnung des
Präsidenten haben die US-Streitkräfte nach schweren Verlusten den Ring um
Chicago aufgegeben, nachdem Einheiten des Heeres und der Nationalgarde dem
Ansturm infizierter Personen nicht gewachsen waren. »Eine große amerikanische
Stadt ist verloren«, erklärte Präsident Hughes in einer schriftlichen
Verlautbarung. »Wir beten für die Einwohner von Chicago sowie für die Männer
und Frauen der Truppe, die ihr Leben geopfert haben, um sie zu schützen. Ihr
Andenken wird uns in diesem großen Kampf Kraft geben.« Der Angriff ereignete
sich kurz nach Einbruch der Dunkelheit, als US-Streitkräfte am South Loop
meldeten, in der Nähe des Geschäftszentrums bilde sich ein Aufmarsch von
bislang unbekannter Größe.
»Es war offensichtlich ein koordinierter
Angriff«, erklärte General Carson White, Kommandeur des Zentralen
Quarantänegebiets. Der General sprach von einer »beunruhigenden Entwicklung«.
»Die neue Verteidigungslinie verläuft jetzt entlang der Route 75, zwischen
Toledo und Cincinnati«, berichtete White vor der Presse am Dienstagmorgen. »Das
ist unser neuer Rubikon.« Berichte, denen zufolge Soldaten scharenweise das
Weite suchten, wollte White nicht bestätigen. Er bezeichnete solche Gerüchte
vielmehr als »verantwortungslos«.
»Diese Männer und Frauen sind die tapfersten
Kameraden, die ich kenne. Es ist mir eine Ehre, in dieser Armee zu dienen«,
erklärte der General.
Der Ausbruch der Krankheit wurde jetzt auch aus
weiteren Städten gemeldet, und zwar aus Tallahassee, Florida, und Charleston,
South Carolina, aus Helena, Montana, und Flagstaff, Arizona, aber auch aus dem
südlichen Ontario und dem nördlichen Mexiko. Nach Schätzungen, die das Weiße
Haus und die Seuchenschutzbehörde bekannt gaben, liegt die Zahl der Todesopfer
inzwischen bei mehr als 30 Millionen. Das Pentagon beziffert die Zahl der
infizierten Personen auf weitere drei Millionen.
Große Teile von St. Louis, das am Sonntag
geräumt wurde, standen gestern Abend in Flammen, ebenso Teile von Memphis,
Tulsa und Des Moines. Beobachter vor Ort berichteten, sie hätten tieffliegende
Flugzeuge über dem berühmten Gateway Arch von St. Louis gesehen, kurz bevor die
Brände ausgebrochen waren. Aus Regierungskreisen gab es bisher noch keine
Bestätigung dafür, dass die Bundesbehörden auf diese Weise die Großstädte der
Zentralen Quarantänezone zu desinfizieren versuchen.
Benzin ist mittlerweile überall im Lande knapp
oder ganz aus. Die Transportkorridore sind verstopft, da sich immer mehr
Menschen vor der Ausbreitung der Epidemie in Sicherheit bringen wollen. Lebensmittel
sind ebenfalls ausverkauft, das Gleiche gilt für medizinischen Bedarf wie
Verbandmaterial und Antibiotika. Viele der gestrandeten Flüchtlinge wissen
nicht, wohin sie gehen oder wie sie irgendwo hinkommen sollen.
»Wir sitzen fest wie alle andern«, sagte David
Callahan vor einem McDonald's östlich von Pittsburgh. Callahan war mit seiner
Frau und seinen beiden kleinen Kindern aus Akron, Ohio, hierhergekommen - eine
Reise, die unter normalen Umständen nur zwei Stunden dauert, in dieser Nacht
aber zwanzig Stunden beansprucht hatte. Mit fast leerem Tank hatte Callahan an
einer Raststätte in Monroeville angehalten und feststellen müssen, dass die
Zapfsäulen trocken waren und das Restaurant seit zwei Tagen kein Essen mehr
hatte. »Wir wollten zu meiner Mutter nach Johnstown, aber jetzt höre ich, dass
es da auch schon ist«, sagte Callahan, während ein Militärkonvoi mit fünfzig
Fahrzeugen auf der freien Gegenfahrbahn in Richtung Westen rollte.
»Niemand weiß, wo er hin soll«, sagte er. »Diese
Dinger sind überall.«
Obgleich die Erkrankung bisher nur in den USA,
in Kanada und Mexiko aufgetreten ist, scheinen sich Staaten auf der ganzen Welt
auf den Eventualfall vorzubereiten. In Europa haben Italien, Frankreich und
Spanien ihre Grenzen geschlossen, während andere Länder Riesenvorräte an
Medikamenten angelegt oder den internationalen Luftverkehr eingestellt haben.
Die Generalversammlung der Vereinten Nationen, die nach der Evakuierung ihres
Hauptsitzes in New York Anfang letzter Woche zum ersten Mal in Den Haag zusammentrat,
beschloss eine internationale Quarantäne-Resolution. Derzufolge ist es dem
Schiffs- und Luftverkehr untersagt, sich dem nordamerikanischen Kontinent auf
weniger als 200 Meilen zu nähern.
Kirchen und Synagogen in allen
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