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Cronin, Justin

Cronin, Justin

Titel: Cronin, Justin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Uebergang
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nicht in dieser Duftwolke. Die Sonne stand hoch und heiß am
Himmel, und es ging kein Lüftchen. Der Wüstenboden unter ihnen glänzte wie
gehämmertes Metall.
    Am Mittag machten sie Rast. Die Schwerarbeiter
ließen die Tiere saufen, und die andern kletterten vorsichtig auf einen
Felsvorsprung, Theo und Peter auf der einen Seite, Arlo und Alicia auf der
andern, und sie spähten zur Baumgrenze hinüber.
    »Siehst du, da?«
    Theo hielt das Fernglas in der Hand und deutete
auf den Schatten der Bäume. Peter beschirmte seine Augen vor dem grellen Licht.
»Ich sehe nichts.«
    »Nur Geduld.«
    Dann sah Peter es. Zweihundert Meter weit
entfernt, eine kaum erkennbare Bewegung, nicht mehr als ein Rascheln in den
Ästen einer hohen Kiefer, ein leiser Nadelschauer, der herabrieselte. Peter
hielt den Atem an. Hoffentlich war es nichts. Aber dann hörte er es wieder.
    »Er ist auf der Jagd. Hält sich im Schatten«,
sagte Theo. »Wahrscheinlich sucht er Eichhörnchen. Sonst gibt's hier nicht
viel. Muss einen verdammten Hunger haben, wenn er so bei Tage unterwegs ist.«
    Theo pfiff lang gezogen und hohl durch die
Zähne, um die andern aufmerksam zu machen. Alicia fuhr herum. Theo deutete mit
zwei Fingern auf seine Augen und zeigte dann zu der Baumreihe hinüber. Er hob
die Hand und krümmte sie zu einem Fragezeichen: Siehst
du es?
    Alicia antwortete mit einer geballten Faust: Ja.
    »Los, Bruder.«
    Sie kletterten von dem Felsen herunter und
trafen sich bei dem Karren, wo Rey und Finn es sich auf den Fettschläuchen
bequem gemacht hatten. Sie kauten Zwieback und reichten eine Plastikflasche mit
Wasser hin und her.
    »Wir können ihn mit einer der Stuten ködern«,
sagte Alicia sofort. Sie fing an, mit einem langen Stock im Staub zu ihren
Füßen zu zeichnen. »Wir tauschen das Wasser gegen Fett, führen sie hundert
Meter näher an die Bäume heran und warten ab, ob er anbeißt. Wahrscheinlich hat
er schon etwas gewittert. Wir verteilen uns auf drei Positionen, hier, hier und
hier« - sie malte die Punkte in den Sand -, »und dann nehmen wir ihn unter
Feuer. Draußen in der Sonne kriegen wir ihn mühelos.«
    Theo runzelte die Stirn. »Aber das hier ist
keine Smoke-Jagd, Lish.«
    Zum ersten Mal blickten Rey und Finn auf.
    »Was denn, verdammt?«, fragte Rey. »Ist das euer
Ernst? Wie viele sind denn da drüben?«
    »Keine Sorge, wir hauen ab.«
    »Theo, da ist nur der eine«, sagte Alicia. »Wir
können ihn nicht einfach so ziehen lassen. Die Herde ist nur - wie viel? -
vielleicht zehn Kilometer von hier.«
    »Doch, das können und werden wir. Und wo einer
ist, sind auch noch andere.« Theo sah Rey und Finn mit hochgezogenen Brauen an.
»Können wir los?«
    Rey stand hastig auf. »Verdammt, niemand sagt
uns was. Lasst uns bloß schnell von hier verschwinden.«
    Alicia musterte die anderen mit verschränkten
Armen. Peter fragte sich, wie wütend sie jetzt war. Aber sie hatte es am Tor
selbst gesagt: Das war die Befehlskette.
    »Schön, du bist der Boss, Theo«, sagte sie
schließlich.
    Sie zogen weiter. Am Nachmittag waren sie am
Fuße des Berges angekommen. Während der letzten Stunde des Abstiegs hatten sie
den Turbinenpark immer vor Augen gehabt. Hunderte von Windturbinen standen
verstreut auf der Ebene vor dem San-Gorgonio-Pass wie ein von Menschen
gemachter Wald. Dahinter schimmerte eine zweite Bergkette im Dunst. Hier wehte
ein heißer, trockener Wind, der ihnen die Worte von den Lippen riss und jedes
Gespräch unmöglich machte. Mit jedem Meter, den sie hinunterstiegen, wurde die
Luft heißer. Es war, als ritten sie in einen Glutofen hinein. Die Straße endete
an der alten Stadt Banning. Von hier aus ging es auf der Östlichen Straße noch
einmal zehn Kilometer weit landeinwärts bis zum Kraftwerk.
    »Augen überall, Leute«, rief Theo durch das
Rauschen des Windes. Einen Moment lang suchte er die Landschaft vor ihnen mit
dem Fernglas an. »Bringen wir's hinter uns. Lish an die Spitze.«
    Peter war einen Augenblick lang verärgert. Er
war auf Position zwei, und deshalb kam es ihm zu, die Spitze zu übernehmen.
Aber er sagte nichts. Theos Entscheidung würde die Wogen zwischen Theo und Alicia
glätten, und wenn sie am Kraftwerk ankämen, wären sie alle wieder Freunde.
Theo gab ihr das Fernglas, und Alicia stieß ihrem Pferd die Fersen in die
Flanken und ritt in flottem Trab fünfzig Meter voran. Ihr roter Zopf schwang in
der Sonne hin und her. Ohne sich umzudrehen, hob sie die Hand und senkte dann
die Handfläche parallel zum

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