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Cronin, Justin

Cronin, Justin

Titel: Cronin, Justin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Uebergang
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darüber?«
    »Es war eher Galen, glaube ich. Ich weiß es
nicht. Du bist ein Mädel, Sara. Sag du's mir.«
    »Mit Schmeicheleien kommst du bei mir nicht
weiter, Hollis.«
    Er lachte trocken. Sie mochte ihn und seine
gelassene Art. »Ich vertreibe mir nur die Zeit.« Er deutete mit dem Kopf auf
die Tür. »Wenn Dora noch wach ist, grüße sie von ihrem Onkel Hollis.«
    »Wie geht es Leigh? Arlo ist weg.«
    »Leigh kennt das doch. Ich habe ihr gesagt, es
kann tausend Gründe geben, weshalb er heute nicht zurückgekommen ist.«
    In der Zuflucht stellte Sara den Topf in das
leere Büro und ging in den Großen Saal. Hier war früher die Schulsporthalle
gewesen. Die meisten Betten waren leer. Es war lange her, dass die Zuflucht
auch nur annähernd voll gewesen war. Die Rouleaus vor den hohen Fenstern waren
geschlossen. Nur rechts und links fiel ein wenig Licht herein, helle Striche,
die auf den schlafenden Kindern lagen. Es roch nach Milch und Schweiß und
sonnenwarmem Haar - der Geruch von Kindern, wenn der Tag zu Ende war. Sara
schlich durch die Reihen mit Pritschen und Gitterbetten. Kat Curtis und Bart
Fisher und Abe Phillips, Fanny Chou und ihre Schwestern Wanda und Susan,
Timothy Molyneau und Beau Greenberg, den alle nur »Bowow« nannten, eine
Verballhornung seines Namens, die an ihm klebte wie Kleister, die drei »Jots«,
Juliet Strauss und June Levine und Jane Ramirez, Reys Jüngste.
    Am Ende der letzten Reihe stand das Gitterbett
mit Dora Wilson, Leighs und Arlos Tochter. Leigh saß auf einem Stuhl daneben.
Junge Mütter durften bis zu einem Jahr in der Zuflucht bleiben. Leigh war immer
noch ein bisschen füllig nach der Schwangerschaft. In diesem Zwielicht sah ihr
breites Gesicht beinahe durchscheinend aus, weil sie nach den langen Monaten im
Haus so blass war. Auf ihrem Schoß lag ein dickes Knäuel Garn mit zwei Nadeln.
Sie hörte auf zu stricken und hob den Kopf, als Sara herankam.
    »Hey«, sagte sie leise.
    Sara nickte nur. Sie beugte sich über das
Bettchen. Dora trug nur eine Windel. Sie schlief auf dem Rücken. Ihr Mund stand
offen und bildete ein zartes O, und sie schnarchte leise durch die Nase. Der
zarte, feuchte Hauch ihres Atem streifte Saras Wange wie ein Kuss. Wenn man
ein schlafendes Baby ansah, konnte man fast vergessen, was aus der Welt
geworden war.
    »Keine Angst, du wirst sie nicht wecken.« Leigh
gähnte in die hohle Hand und strickte weiter. »Die Kleine da, die schläft tief
und fest.«
     
    Sara beschloss, nicht nach Mausami zu suchen.
Was immer zwischen ihr und Galen vorgefallen sein mochte, ging sie nichts an.
In gewisser Weise tat Galen ihr leid. Er hatte immer eine Schwäche für Maus
gehabt. Es war wie eine Krankheit, die er nie ganz los wurde, und alle behaupteten,
als er Maus gefragt habe, ob sie ihn heiraten wolle, habe sie nur ja gesagt,
weil Theo sie abgewiesen habe. Vielleicht hatte er es auch nie über sich
gebracht, sie zu fragen, und Maus hatte versucht, ihn so zu diesem Schritt
anzustacheln. Sie wäre kaum die erste Frau, die diesen Fehler begangen hätte.
    Aber als Sara den Weg entlangging, fragte sie
sich, warum manche Dinge nicht einfach leicht sein konnten. Denn bei ihr und
Peter war es genauso. Sara liebte ihn, schon immer, schon als sie beide in der
Zuflucht gelebt hatten. Es gab keine Erklärung dafür; so lange sie zurückdenken
konnte, hatte sie diese Liebe empfunden. Sie war wie ein goldener Faden, der
sie miteinander verband. Es war mehr als körperliche Anziehung; es war das
Zerbrochene in ihm, das sie am meisten liebte, dieser unerreichbare Ort, an
dem er seine Trauer aufbewahrte. Denn das war etwas, das niemand außer ihr über
Peter Jaxon wusste, und sie wusste es, weil sie ihn liebte: Er war furchtbar
traurig. Und es war nicht die gewöhnliche Trauer, mit der alle an die Menschen
und Dinge dachten, die sie verloren hatten. Es war mehr als das. Und wenn sie
diese Trauer finden und sie ihm nehmen könnte, würde er ihre Liebe erwidern, da
war Sara sicher.
    Deshalb hatte sie beschlossen, Krankenschwester
zu werden. Wenn sie nicht bei der Wache sein konnte - und das konnte sie unter
keinen Umständen -, dann war das Krankenrevier, das Prudence Jaxon leitete,
das Zweitbeste. Hundertmal war sie kurz davor gewesen, die Frau zu fragen: Was
kann ich tun? Was kann ich tun, damit dein Sohn mich liebt? Aber dann hatte sie
immer geschwiegen. Sie hatte sich bemüht, ihren Beruf zu erlernen, so gut sie
konnte. Sie hatte auf Peter gewartet und immer gehofft, er werde

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