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Cronin, Justin

Cronin, Justin

Titel: Cronin, Justin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Uebergang
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Leben ein Ende zu machen. Wer das glaubt, weiß nicht das Geringste
über ihn. Er hat es getan, weil er die Ungewissheit einfach nicht ertragen
konnte. Nicht eine Minute länger. Es war tapfer, und es war dumm, und er hat
seine Antwort bekommen.«
    »Er hat einen Walker gesehen. Bei Milagro.«
    »Kann sein«, sagte Theo. »Wenn du mich fragst,
er hat gesehen, was er sehen wollte. Und wenn schon. Was würde sich durch einen Walker ändern?«
    Theos Hoffnungslosigkeit erschütterte Peter
zutiefst. Sie zeugte nicht nur von Resignation, sondern erschien ihm regelrecht
illoyal.
    »Wo es einen gibt, gibt es auch noch andere«,
beharrte Peter.
    »Was es gibt, Bruder, sind die Smokes. Daran
können alle Gewehre dieser Welt nichts ändern.«
    Eine Zeitlang schwiegen alle. Der Gedanke hing
in der Luft, unausgesprochen, aber mit Händen zu greifen. Wie viel Zeit hatten
sie noch, bis die Lichter ausgingen? Bis niemand mehr die Akkus aufladen
konnte?
    »Das glaube ich nicht«, sagte Arlo. »Und ich
kann mir nicht vorstellen, dass du so denkst, Theo. Wenn es nichts anderes
mehr gibt, was hat dann das alles noch für einen Sinn?«
    »Was es für einen Sinn hat?« Wieder starrte Theo
in seinen Becher. »Das würde ich selber gerne wissen. Vermutlich besteht der
einzige Sinn darin, am Leben zu bleiben. Die Lichter brennen zu lassen, solange
wir können.« Er hob den Becher an die Lippen und trank ihn in einem Zug leer.
»Apropos: Bald wird es hell, Leute. Lasst Caleb schlafen, aber weckt die
andern. Wir müssen die Kadaver beseitigen.«
     
    Es waren vier. Drei fanden sie im Hof, und einen
- Zander - auf dem Dach. Er lag mit dem Gesicht nach oben auf dem Betondach
neben der Luke, die nackten Gliedmaßen ausgestreckt, als habe er sich ergeben
wollen. Die Kugel aus Peters Gewehr hatte seinen Kopf durchschlagen und die
Schädeldecke weggerissen. Sie hing an einem Hautlappen schräg herunter. Er
hatte schon angefangen, in der Morgensonne zu schrumpfen. Ein feiner grauer
Dunst stieg von seiner verwesenden Haut auf.
    Peter war an das Aussehen der Virais gewöhnt,
aber es war immer noch verstörend, einen aus der Nähe zu sehen. Die
Gesichtszüge, wie wegpoliert und zu einer fast infantilen Ausdruckslosigkeit
geglättet. Die gekrümmten Hände und Füße mit ihren Greifklauen und den
rasiermesserscharfen Krallen. Die kompakte Muskulatur an Gliedern und Torso
und der lange, in alle Richtungen drehbare Hals. Die spitzen Zähne, dicht an
dicht gedrängt wie Nadeln aus Stahl. Finn trug Gummistiefel und Handschuhe und
hatte sich einen Lappen vor das Gesicht gebunden, als er mit einer Forke den
Schlüssel an seiner Schnur aufhob und in einen Blecheimer fallen ließ. Sie
überschütteten den Schlüssel mit Alkohol und zündeten ihn an. Dann legten sie
ihn zum Trocknen in die Sonne. Was die Flammen nicht abgetötet hatte, würden
die Sonnenstrahlen erledigen. Zander, steif wie ein Stück Holz, rollten sie
auf eine Plastikplane, die sie dann über ihm zu einem Schlauch zusammenfalteten.
Arlo und Rey schleppten ihn zur Dachkante und ließen ihn in den Hof
hinunterfallen.
    Als sie alle vier Leichen vor den Zaun hinausgeschleift
hatten, stand die Sonne hoch und heiß am Himmel. Peter lehnte sich an ein Rohr
und sah von der windabgewandten Seite her zu, wie Theo Alkohol über die Kadaver
schüttete. Er kam sich nutzlos vor, doch mit seinem verstauchten Knöchel war
er keine große Hilfe. Alicia stand mit einem Gewehr im Arm Wache. Caleb war
inzwischen aufgewacht und zu ihnen herausgekommen. Peter sah, dass er hohe
Lederstiefel trug.
    »Von Zander.« Der Junge zuckte ein wenig
schuldbewusst die Achseln. »Sein Extra-Paar. Ich dachte, er hat bestimmt nichts
dagegen.«
    Theo nahm eine Dose Schwefelhölzer aus seinem
Beutel und zog die Gesichtsmaske herunter. In der anderen Hand hielt er eine
Fackel. Große runde Schweißflecken durchfeuchteten sein Hemd am Hals und unter
den Armen. Es war ein altes Hemd aus dem Lagerhaus. Die Ärmel waren längst
verschwunden, und der Kragen war zerfranst. In die Brusttasche war in einer
geschwungenen Schrift der Name Armando gestickt.
    »Will noch jemand etwas sagen?«
    Peter spürte, dass er es tun sollte, aber er
fand keine Worte. Der Anblick der Leiche auf dem Dach hatte nichts an dem
unguten Gefühl geändert, dass Zander immer noch Zander gewesen war. Aber all
diese Kadaver auf dem Stapel waren einmal jemand gewesen. Vielleicht war einer
von ihnen Armando.
    »Okay, dann übernehme ich es.« Theo räusperte
sich.

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