Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cronin, Justin

Cronin, Justin

Titel: Cronin, Justin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Uebergang
Vom Netzwerk:
»Zander, du warst ein guter Ingenieur und ein guter Freund. Du hattest
nie ein böses Wort für irgendjemanden, und dafür danken wir dir. Ruhe in Frieden.«
Er riss ein Streichholz an, hielt es an die Fackel, bis sie brannte, und
zündete die Kadaver an.
    Die Haut verbrannte schnell. Sie löste sich auf
wie Papier, und dann folgte der Rest. Die Knochen fielen in sich zusammen und
zerbarsten zu kleinen Aschewölkchen. Nach einer Minute war alles vorbei. Als
die letzten Flammen erloschen waren, schaufelten sie die Asche in die flache
Grube, die Rey und Finn ausgehoben hatten, und bedeckten sie mit einer Schicht
Erde.
    Sie klopften den Grabhügel fest, als Caleb plötzlich
sprach. »Ich möchte nur sagen ... ich glaube, er hat sich dagegen gewehrt. Er
hätte mich da draußen umbringen können.«
    Theo legte die Schaufel zur Seite. »Versteh mich
nicht falsch«, sagte er. »Aber es macht mir Sorgen, dass er es nicht getan
hat.«
     
    In den folgenden Tagen dachte Peter immer wieder
an die Ereignisse jener Nacht und ließ sie im Geiste noch einmal
vorüberziehen. Nicht nur das, was auf dem Dach passiert war, und Calebs
seltsame Geschichte von seinem Mast, sondern auch den verbitterten Ton seines
Bruders, als sie von den Gewehren gesprochen hatten. Denn Alicia hatte recht:
Diese Gewehre bedeuteten etwas.
Sein Leben lang hatte Peter die Welt aus der Zeit Davor als etwas
Verschwundenes betrachtet. Es war, als sei eine Messerklinge in die Zeit
gefallen und habe sie in zwei Hälften zerschnitten, in das, was vorher war,
und das, was danach war. Zwischen diesen Hälften gab es keine Brücke. Der Krieg
war verloren, die Army gab es nicht mehr, die Welt außerhalb der Kolonie war
das offene Grab einer Geschichte, an die niemand sich mehr erinnerte. Peter
hatte sich nie den Kopf darüber zerbrochen, was sein Vater da draußen in der
Dunkelheit eigentlich gesucht hatte. Vermutlich, weil es auf der Hand gelegen
hatte: Menschen, andere Überlebende. Aber als er eins der Gewehre seines
Vaters in der Hand gehalten hatte - und auch jetzt, als er in der Unterkunft
lag, während sein Knöchel allmählich heilte, und sich daran erinnerte, wie es
sich angefühlt hatte -, spürte er, dass da mehr war: als sei die Vergangenheit
mit all ihrer Macht in ihn geflossen. Und vielleicht war es das, was sein Vater
die ganze Zeit auf seinen Langen Ritten versucht hatte. Er hatte versucht,
sich an die Welt zu erinnern.
    Sicher hatte Theo das gewusst, sicher hatte er
die Größe gekannt, die in ihm war wie in allen Männern der Langen Ritte. Peter
hatte schon vor langer Zeit beschlossen, Theo nicht zu verübeln, was seine
Mutter am Morgen ihres Todes gesagt hatte. Gib
acht auf deinen Bruder, Theo. Er ist nicht stark wie du. Die
Wahrheit war die Wahrheit, und im Laufe der Jahre hatte Peter festgestellt,
dass er mit diesem Wissen über sich selbst gut leben konnte. Manchmal war es
beinahe eine Erleichterung. Ihr Vater hatte ein schwieriges und verzweifeltes
Unternehmen begonnen, und nichts sprach dafür, dass er recht hatte. Wenn Theo
nun also diese Bürde - für sie beide - auf seine Schultern nahm, dann war es Peter
mehr als recht.
    Aber als er gehört hatte, wie sein Bruder zu
Arlo sagte, es habe alles keinen Sinn, und ihnen bleibe nichts weiter, als die
Lichter brennen zu lassen, solange es ging - wie er das ausgerechnet zu Arlo
sagte, der ein Kind in der Zuflucht hatte -, da war es ein anderer Theo gewesen
als der, den er kannte. Etwas in seinem Bruder hatte sich verändert. Was mochte
es sein?
    Sie blieben fünf Tage. Finn und Rey verbrachten
den ersten Tag damit, den Elektrozaun zu reparieren, und dann gingen sie
daran, auf dem westlichen Feld die Turbinen zu schmieren. Arlo, Theo und Alicia
begleiteten sie paarweise abwechselnd, und sie kehrten jedes Mal lange vor
Sonnenuntergang zurück, um die Anlage zu sichern. Da Peter nichts anderes zu
tun hatte, spielte er Solitaire mit einem Kartenspiel, bei dem drei Karten
fehlten, oder er durchstöberte eine Kiste mit bunt zusammengewürfelten Büchern
im Lagerraum: Charlie und die Schokoladenfabrik, Die
Geschichte des Osmanischen Reiches, Zane Greys Ritter
der Weiten Wüste (Klassiker der Westernliteratur). Innen
auf dem hinteren Deckel jedes Buches klebte eine Tasche aus Pappe mit der
Aufschrift EIGENTUM DER RIVERSIDE COUNTY PUBLIC LIBRARY, und in der Tasche
steckte eine Karte mit einer Liste von Daten in verblasster Tinte: 7. September 2014, 3. April 2012, 21. Dezember
2016.
    »Wer hat die

Weitere Kostenlose Bücher