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Cronin, Justin

Cronin, Justin

Titel: Cronin, Justin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Uebergang
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auch
wenn er formal gesehen weiter zum FBI gehörte. »Muss ich sie aussuchen?«,
fragte Wolgast.
    Sykes schüttelte den Kopf. »Das ist unsere
Aufgabe. Sie bekommen Ihre Anweisungen von mir. Sie müssen lediglich die
Zustimmung dieser Häftlinge erwirken. Wenn die Männer unterschrieben haben,
übernimmt die Army die Sache. Die Betreffenden werden ins nächste Bundesgefängnis
verlegt, und wir schaffen sie dann hierher.«
    Wolgast überlegte kurz. »Colonel, ich muss Sie
fragen ...«
    »Was wir tun?« In diesem Augenblick war es, als
gestatte er sich ein beinahe menschliches Lächeln.
    Wolgast nickte. »Mir ist klar, dass ich nicht
ins Detail gehen kann. Aber ich soll diese Leute immerhin dazu bringen, mir ihr
ganzes Leben zu überschreiben. Da muss ich ihnen etwas sagen.«
    Sykes wechelte einen Blick mit Richards, und der
zuckte die Achseln und sagte: »Ich lasse Sie jetzt allein.« Er nickte Wolgast
zu.
    Als Richards gegangen war, lehnte Sykes sich in
seinem Sessel zurück. »Ich bin kein Biochemiker, Wolgast. Sie werden sich mit
der Laienversion zufriedengeben müssen. Der Hintergrund ist folgender, soweit
ich es Ihnen erzählen kann. Vor etwa zehn Jahren bekam CDC, das Zentrum für
Seuchenkontrolle und Prävention, einen Anruf von einem Arzt in La Paz. Er hatte
vier Patienten, allesamt Amerikaner, die an etwas erkrankt waren, das aussah
wie das Hanta-Virus - hohes Fieber, Erbrechen, Muskel- und Kopfschmerzen,
Hypoxämie. Alle vier hatten an einer ÖkoTour teilgenommen, die tief in den
Dschungel hineingeführt hatte. Sie gaben an, zu einer vierzehnköpfigen Gruppe
zu gehören; sie seien von den andern getrennt worden und wochenlang im Urwald
umhergeirrt. Es war reines Glück, dass sie auf einen abgelegenen Handelsposten
gestoßen waren, der von ein paar Franziskanern geführt wurde, und die sorgten
dafür, dass sie nach La Paz transportiert wurden. Hanta ist in der Tat etwas
anderes als ein Schnupfen, aber besonders selten ist das Virus auch wieder
nicht, und deshalb wäre das alles nicht mehr als ein Pünktchen auf dem Radar
des CDC gewesen, gäbe es nicht noch etwas anderes. Alle vier waren unheilbare
Krebspatienten. Die Reise war veranstaltet von einer Organisation namens
>Der Letzte Wunsch<. Sie haben davon gehört?«
    Wolgast nickte. »Ich dachte, die lassen die
Leute nur Fallschirm springen und solche Sachen.«
    »Das dachte ich auch. Aber anscheinend ist es
nicht so. Von den vieren hatte einer einen inoperablen Hirntumor, zwei hatten
eine akute lymphozytische Leukämie, und eine hatte Eierstockkrebs. Und jeder
Einzelne wurde gesund. Nicht nur, was die Hanta-Infektion angeht, oder was
immer es war. Auch der Krebs war weg. Spurlos.«
    Wolgast kam nicht mit. »Das verstehe ich nicht.«
    Sykes nahm einen Schluck Kaffee. »Tja, das CDC
auch nicht. Aber irgendetwas war passiert - irgendeine Interaktion zwischen
ihrem Immunsystem und etwas anderem, das höchstwahrscheinlich viraler Natur
war und dem sie im Dschungel ausgesetzt gewesen waren. Vielleicht etwas, das
sie gegessen hatten? Oder das Wasser, das sie getrunken hatten? Niemand konnte
es erklären. Und sie konnten nicht mal genau sagen, wo sie gewesen waren.« Er
beugte sich über seinen Schreibtisch nach vorn. »Wissen Sie, was die
Thymusdrüse ist?«
    Wolgast schüttelte den Kopf.
    Sykes zeigte auf seine Brust, dicht über dem
Brustbein. »Ein kleines Ding, zwischen Brustbein und Luftröhre, ungefähr so
groß wie eine Eichel. Bei den meisten Menschen ist es komplett atrophiert,
wenn sie in die Pubertät kommen; manche merken ihr ganzes Leben nicht, dass sie
eine Thymusdrüse haben. Es sei denn, sie ist krank. Niemand weiß wirklich,
wozu sie gut ist. Zumindest wusste man es nicht, bis man diese vier Patienten
untersucht hatte. Die Thymusdrüse hatte sich bei ihnen irgendwie wieder
eingeschaltet. Und nicht nur das: Sie war sogar auf das Dreifache ihrer
üblichen Größe gewachsen. Es sah aus wie eine bösartige Geschwulst, aber das
war es nicht. Außerdem hatte das Immunsystem dieser Leute in den Overdrive
geschaltet. Die Zellregeneration war enorm beschleunigt. Und es gab noch andere
positive Veränderungen. Wohlgemerkt, es handelte sich um Krebspatienten,
allesamt über fünfzig. Und es war, als wären sie wieder Teenager. Riech-, Hör-
und Sehvermögen, die Spannkraft der Haut, das Lungenvolumen, Körperkraft und
Ausdauer, selbst die Sexualfunktion. Einer der Männer bekam sogar wieder
dichtes Haar.«
    »Und das hat ein Virus bewirkt?«
    Sykes nickte.

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